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Die Hure und der Henker

Die Hure und der Henker

Titel: Die Hure und der Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Arlt
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ansieht.«
    Du hieltest seine Hand fest,
die zuckte. »Seht hin!«
     
     
    Das habt ihr aber damals
allesamt nicht getan.
    Der Krieg,
bei deiner Hochzeit noch in meiner Heimat, hatte in jenem Jahr auch Pritzwalk
erreicht und ihr saht es nicht einmal. Ihr merktet es nicht.
    Du warst mit
dem rothaarigen Simon, der den Wagen ziehen musste, in dem Baltzer saß, und mit
Ulla, die den Essenskorb trug, und Elsbeth, die unterwegs unermüdlich mit dem
Kind schäkerte, mal rechts und mal links hinter deinem Rücken hervorsah, sodass
du kaum treten konntest, »Baltzer! Kuckuck!«, an der Heergrundmühle am Ufer der
Dömnitz. Während Ulla das Geschirr und die Essensreste einräumte, suchtest du
das Ufer nach Bittersüß ab. Wenn der Warzenbeißer nicht half – das Kräutlein
Bittersüß half bestimmt. Die langen Stängel, die behaarten Blätter, die
violetten Blüten mit dem gelben Staubkegel in der Mitte waren giftig und du
hattest Elsbeth, die für Baltzer einen Kranz aus Löwenzahn band, und Ulla und
Simon sehr scharf ermahnt, den Kleinen nicht aus den Augen zu lassen, vor dem
weder die Wurst, die er in einen Maulwurfshügel schob, noch der Löffel, mit dem
er im Wiesengrund bohrte, noch Simons Messer sicher war, das ihm Ulla
erschrocken entriss.
    »Siehst du?«
Ulla war schuldbewusst. »Passt mir bloß auf! Simon! Du auch! Dass er nicht ans
Wasser geht und nicht mit den Heilkräutern spielt.«
    Danach, auf
dem Heimweg, saht ihr die Soldaten.
    Sie
marschierten auf der Straße, die am Richtplatz vorbeiführte, und waren in der
Stadt schon gemeldet. Der Rat hatte ihnen die Rast auf dem Marktplatz erlaubt.
    Ganz vorn
seien Kürisser und Arkebusiere zu Pferde, meldete Simon, der an dem Zug
entlanggelaufen und atemlos zu dir zurückgekehrt war. Dahinter Musketiere,
Pikeniere und Hellebardiere. Einer in der letzten Reihe drehte sich nach euch
um.
    Baltzer aus
dem Bullerwagen streckte ihnen sein gelbes Kränzchen hin. »Woher kommt ihr denn?«,
wollte Ulla wissen. Er verstand sie nicht. Es waren Engländer, von König Jakob
zu seinem Schwiegersohn nach Böhmen geschickt.
    Einem soll es gelungen sein,
sich dann doch einem Mädchen verständlich zu machen.
    Nachdem auf
dem Marktplatz kehlige Kommandos erschallten, nachdem der Fähnrich, beäugt von
den Leuten, die vor die Türen traten, die Fahne hoch in die Luft warf, sie
wallen ließ und geschickt wieder auffing, nachdem die Männer sich rührten, die
ihre Musketen zu Pyramiden zusammenstellten, am Brunnen ihre Feldflaschen
füllten, um Trommeln saßen und Karten spielten oder dankbar im Schatten
entgegennahmen, was man ihnen an Semmeln und Bier aus den umliegenden Häusern
zutrug, muss es einem von ihnen gelungen sein, sich im Schoß eines Mädchens zu
rühren. Jedenfalls behauptete das Mädchen das. Neun Monate später, im März
1621, gab es als Vater seines Kindes einen Engländer an. Es war damals lange
ein Stadtgespräch und Judith tat das Mädchen sehr leid.
    »Die muss
Euch nicht Leid tun, Koberin. Die hätt ja auf sich aufpassen können. So eine
Dummheit aber auch«, schimpfte Jenne und rührte in dem Kessel mit Wellfleisch.
    »Ein Engländer! Die kann doch
nicht Englisch! Wie will die sich mit ihrem Kind denn verständigen?«

 
    13
     
     
     
    Ich habe ihn gestern Abend
zurückzuhalten versucht.
    »Valentin, es
ist zwanzig Jahre her!«
    »Ja und? War es deshalb
nicht? Außerdem hatte es damals ein Lebensbund sein sollen und keine
Todesgemeinschaft!«
    Ich habe ihn
zurückzuhalten versucht, aber ganz gewiss nicht Judiths wegen.
    Frauen wie
sie haben uns damals in Pirna zuerst als die armen evangelischen Brüder und
Schwestern begrüßt und schon wenige Wochen später gaben sie uns an jedem
verstopften Brunnen die Schuld! Frauen wie sie haben sich außer Hunden, Katzen
und deutschen Knechten bald auch gern einen Böhmen gehalten. Sauber machen, hab
ich gesagt. Verstehst du kein Deutsch? Und wir mussten halt sauber machen, denn
von irgendetwas mussten wir leben. Nicht alle von uns konnten wie Jura ihr
erlerntes Handwerk treiben. Nur wenige von uns wurden von daheim unterstützt.
Von den Zinsen eines rechtzeitig ins Ausland transferierten Kapitals zehren
konnten auch von den reichen Familien nur drei oder vier; und das, was unser
Vater nach Dresden gebracht hatte, zum Glück noch rechtzeitig, meinte unsere
Mutter, das, was er seinem Geschäftsfreund Leopold Landwehr zur Aufbewahrung
anvertraut hatte, würde nicht reichen, um von Zinsen zu zehren. Aber es würde
uns die

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