Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
Weile annehmen.«
»Das klingt gut.« Lena dachte nach. Ein bisschen Geld konnte sie immer aufbringen, die Frage war nur, wie viel Astrid verlangen würde.
Als hätte Marie ihre Gedanken erraten, kam sie zu ihr herüber und setzte sich auf die Bettkante. »Mach dir über das Geld erst einmal keine Sorgen. Ich werde morgen mit ihr reden. Ich kann das Kind an den Sonntagen hierherholen, damit du sie besuchen kannst. Oder du gehst zu ihr, wenn du in der Stadt alleine unterwegs bist. Und wenn Veronika keine Milch mehr braucht, kann sie bei mir bleiben. So kannst du sie immer sehen, wenn dir danach ist.«
Erleichtert nahm Lena Marie in den Arm. »Es wäre wunderbar, und ich weiß nicht, wie ich dir jemals für all das danken kann.«
Marie drückte Lena kurz und erhob sich dann wieder. »Das hast du schon längst. Ich kümmere mich jetzt um das Essen, und du solltest etwas ruhen.«
Die Zeit nach der Entbindung verging wie im Vogelflug, und zurück blieben schöne Erinnerungen. Veronika war prächtig gediehen, und bereits nach fünf Wochen hatte sie nachts durchgeschlafen und ein erstes Lächeln erkennen lassen. Sie zeigte dabei kleine verstohlene Grübchen, die Laurenz ebenfalls bei Lena feststellte. Er war genauso vernarrt in das winzige Wesen wie die beiden Frauen und wirkte beinahe eifersüchtig, wenn nicht er es war, der etwas Neues an ihr entdeckte. Das Einzige, was Lenas Freude in dieser Zeit trübte, war die Gewissheit, dass sie bald zurück ins Töchterhaus musste, und nur der Gedanke, dass sie damit für ihre kleine Tochter sorgen könnte, die es gut bei Marie haben würde, tröstete sie.
Ein paarmal erwischte sie sich dabei, wie sie die Hoffnung hegte, Laurenz würde sie ehelichen, aber das war blanker Unsinn, und wenn er sie manchmal ansah wie ein verliebter Gockel, so lag es sicher daran, dass sie die Kleine im Arm hatte.
Schließlich war der Tag des Abschieds gekommen. Mit Astrid war alles abgesprochen. Sie hatte sich zur Freude aller sogar einverstanden erklärt, eine Zeit lang bei Marie zu leben, um das Kind zu stillen. Mittags würde sie kurz nach Hause gehen, um zu kochen, und in der übrigen Zeit würden Theresa und ihr Bruder selbst auf sich achtgeben.
»Du musst nicht gehen, das weißt du, oder?« Laurenz hielt Lenas Hand, als sie sich schweren Herzens verabschieden wollte.
Was meinte er damit? War das ein Antrag, oder wünschte sie es sich einfach nur? Lena konnte nicht glauben, dass er vorhatte, eine Hure zu heiraten, und wenn, hätte er es sicher deutlicher gesagt. »Doch, das muss ich, denn ich will für uns sorgen. Außerdem ist es nicht für immer, und ich sehe nach der Kleinen, sooft ich kann.«
»Wenn du meinst.« Er sah tatsächlich etwas betreten aus. »Also gut, dann leb wohl.«
»Du auch.«
Kapitel 7 – Zwei Jahre später
Im Hurenhaus wusste niemand von Veronika. Bei ihrer Rückkehr vor zwei Jahren hatte Lena erzählt, dass ihr Kind, ein Knabe, bei der Geburt gestorben sei. So konnte Frau Margarete keinen Anspruch darauf erheben.
In den ersten Wochen war es Lena schwergefallen, sich wieder an das Leben im Töchterhaus zu gewöhnen. Zu sehr vermisste sie ihre Tochter und Marie und auch Laurenz.
Schimpftiraden, die vorgeblich brave Bürger auf sie niederprasseln ließen, wenn die Mädchen ihre Einkäufe auf dem Markt erledigten, schmerzten sie viel mehr als früher. Jeder Freier, der sich Lena aussuchte, widerte sie an, egal, ob es junge und hübsche Männer waren oder ältere. Ihr war immerzu übel, und sie verlor bedenklich an Gewicht. Die Lichtblicke waren die Besuche bei der Heilerin.
Sie bedauerte es, nicht täglich nach der Kleinen sehen zu können, doch wenigstens hatte Frau Margarete nichts dagegen einzuwenden, dass Lena alle drei Tage einen Besuch bei Marie machte, um ihr zur Hand zu gehen. Außerdem lernte sie immer mehr von Marie und konnte dieses Wissen auch im Töchterhaus anwenden, wo sie kleinere Wehwehchen behandelte.
Heute sah Lena schon beim Einbiegen in den Weg, der zu Marie führte, das gesattelte Pferd neben der Hütte stehen. Das war ungewöhnlich, denn die meisten Besucher der Heilerin waren arme Leute und konnten sich kein Reitpferd leisten. Wenn es die Obrigkeit war, dann wollte Lena nichts damit zu tun haben, und so schlug sie sich schnell in die dichten Büsche, um nicht gesehen zu werden. Kleine wie große Äste zerkratzten ihr Arme und Beine oder verfingen sich in ihrem Kleid. Ungeachtet dessen duckte sie sich, um vorsichtig näher zu schleichen.
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