Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
bei sich vorbeigegangen und etwas Frisches angezogen hatte. Seine Kleider strotzten vor Dreck, waren teilweise zerschlissen und löchrig, außerdem stank er mit Sicherheit, aber nun musste es eben so gehen.
»Hier braucht ihr euch nicht mehr zu beschweren«, sagte die Frau und wollte die Tür umgehend wieder schließen, aber Laurenz stellte seinen Fuß dazwischen.
»Ich muss dringend den Ratsherrn sprechen, Frau!«
»Das wollen dieser Tage viele Leute. Er ist nicht da, und nun nimm deinen Fuß aus der Tür oder ich rufe die Wachen.«
»Es geht um Leben und Tod. Ich komme grade aus Hoya.«
Die Frau maß ihn erneut, zog nachdenklich die Augenbrauen hoch und zuckte schließlich mit den Schultern.
»Er ist wirklich nicht da …«
»Dann sagt mir, wo er ist. Ich muss ihn wirklich finden.« Mit seiner Geduld stand es nicht zum Besten, und er war drauf und dran, sie einfach zur Seite zu schieben und selbst nachzusehen, doch er beherrschte sich.
Anscheinend fiel es ihr schwer, den nächsten Satz auszusprechen, denn sie rang sichtlich um Fassung. »Offenbar warst du wirklich nicht in der Stadt. Unser Ratsherr ist im Kerker.«
Laurenz horchte auf. »Was wirft man ihm vor?«
Sie schüttelte den Kopf, als könne sie das Geschehen somit verdrängen. »Verrat. Er soll Bremen an Hoya verraten haben. Aber ich glaube es nicht, genau wie die anderen hier im Haus. Und nun geh.«
Erschrocken, dass die Sache schon so weit vorangeschritten war, zog Laurenz seinen Fuß aus der Tür. »Und seine Frau?«
»Ist bestürzt und in Trauer darüber.« Damit schloss die Frau die Tür.
Ratlos schlug Laurenz den Weg zu seinem Haus ein. Er musste sich waschen, umziehen und überlegen, wie er Mindermann aus dem Kerker bekommen sollte.
Nachdem er sich wieder halbwegs menschlich fühlte und sein altes Schwert vertraut an seiner Seite spürte, machte er sich auf den Weg zum Bürgermeister. Er zog seine Gugel bis zu den Augen und hoffte, dass ihn keiner seiner Kollegen erkennen würde, besser noch, dass ihm niemand über den Weg lief. Doch er hatte nicht das Glück und musste sich zweimal verstecken, ehe er beim Haus des Bürgermeisters ankam. Zwei Männer hielten davor Wache. Das war neu. Zu seinem Glück waren es keine seiner Kameraden.
»Was willst du vom Herrn Bürgermeister?«, fragte der Ältere misstrauisch.
»Es geht um den Ratsherrn Mindermann. Ich habe eine Nachricht, die Bürgermeister Doneldey sicher interessiert.«
»Trägst du Waffen bei dir?« Ohne Laurenz’ Antwort abzuwarten, tastete er ihn ab und nahm das Schwert an sich. Dann nickte er knapp in Richtung Tür und trat zur Seite.
Nachdem ein Bediensteter ihn eingelassen hatte, dauerte es nicht lange, bis er empfangen wurde.
»Setz dich.« Der alte Mann deutete auf einen freien Stuhl ihm gegenüber.
»Danke.« Laurenz nahm Platz.
»Bring uns Wein und Käse«, wies er seinen Diener an. Nachdem dieser eingeschenkt und den Raum verlassen hatte, sah der Bürgermeister Laurenz forschend an. »Ich kenne dich. Du gehörst doch zu den Bütteln?«
Laurenz nickte. »Ja, Herr –«
»Soweit ich informiert bin, giltst du seit einiger Zeit als vermisst«, unterbrach er Laurenz, der sich darüber wunderte, dass Doneldey darüber Bescheid wusste. »Nun sagte mein Diener mir soeben, dass du in Hoya warst und dringliche Neuigkeiten über Constantin Mindermann bringst. Das hat mich neugierig gemacht. Lass mich also hören, was du zu sagen hast.«
Laurenz nahm einen Schluck Wein.
»Ich bin mit einer Frau nach Hoya gegangen, um den Mörder meiner Tante zu finden.«
»Dann hast du deswegen Bremen in Kriegszeiten im Stich gelassen? Du weißt sicher, was das bedeutet.« Er machte eine Pause und forschte in Laurenz’ Augen.
»Ja, ich weiß, doch Lena, so heißt das Mädchen, wäre sonst alleine gegangen. Das konnte ich nicht zulassen.«
»Wieso hat sie den Krieg nicht abgewartet?« Doneldey spielte mit seinem Becher, indem er ihn hin- und herdrehte.
»Sie wurde gesucht. Aber ich glaube, es ist besser, wenn ich euch die ganze Geschichte erzähle.«
Der Bürgermeister nickte und lehnte sich zurück. Schweigend hörte er zu, wie Laurenz ihm von Lenas Schwangerschaft erzählte, von dem Tod seiner Tante und vom Verschwinden Veronikas, von Lenas Nachforschungen bei Mindermanns, die er selbst nicht gutgeheißen hatte, und schließlich von ihrer Entdeckung, ihrer Flucht und ihrer Reise nach Hoya.
»Du musst das Mädchen schon sehr lieben, wenn du deinen Kopf für sie
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