Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom
weshalb Maddalena sich Maddalena nannte und nicht – wie sie in Wahrheit hieß – Augusta.«
»Ach, sie hieß Augusta?«
»Ja. Augusta bedeutet Erhabene, und meine erste Lektion für das Mädchen betraf ihren Namen. Ich zwang sie nicht zu einer Namensänderung, aber sie begriff schnell, dass ein einfacher Name auf Dauer besser war. Und jetzt wechseln wir bitte das Thema, dann kann ich so tun, als hätte dieses Gespräch nie stattgefunden.«
Antonia gab sich offenbar mit dieser Erklärung zufrieden, denn sie ging, ohne weitere Fragen zu stellen. Sie sagte nur, dass sie zunächst Sandros Schwester aufsuchen und sich später zu einem Spaziergang mit Milo treffen würde.
»Was glaubst du«, fragte Signora A, als Antonia fort war, »ist sie die Richtige für Milo? Ich würde ihm wünschen, dass er endlich eine Frau findet, mit der er mehr als nur Spaß haben will.«
Die Frage war heikel. Antonia war Milo in gewisser Weise ähnlich, denn auch sie hatte in der Vergangenheit im Zusammensein mit Männern stets den Spaß gesucht. Erst seit sie Sandro kannte, hatte sich das geändert. Doch jetzt, wo sie mit ihm nicht weiterkam … War Milo für Antonia nur ein Mann wie seine Dutzende Vorgänger? War er ein behelfsmäßiger Ersatz für Sandro? Oder war er mehr, war er ein neuer Anfang, etwas Eigenes, eine Liebe? In jedem Fall war eine Beziehung zu Milo realistischer als die zu Sandro Carissimi.
»Antonia ist eine Verrückte, eine liebe Verrückte«, antwortete Carlotta. »Hochintelligent, sehr empfindsam – und im höchsten Grade kapriziös. Langweilig wird es nie mit ihr, so
viel steht fest. Eine Frau wie Antonia wirkt auf die Herzen der Männer entweder wie ein Jungbrunnen oder …«
»Oder?«, fragte Signora A.
»Oder wie Arsen.« Carlotta schmunzelte. »Ich übertreibe ein wenig. Dein Milo ist ein gefestigter Charakter. Wenn dich das beruhigt: Es ist wahrscheinlicher, dass er ihr Leben durcheinander bringt als umgekehrt.«
Carlotta hatte alle Gläser geputzt und auf ein Tablett gestellt, das sie nun hochhob. »Ich bringe die Gläser ins Empfangszimmer«, sagte sie, aber die Signora berührte sie an der Schulter.
»Da ist noch etwas, das ich dir sagen wollte, Carlotta. Ich habe etwas erfahren, das dich vielleicht … Ich weiß nicht, ob es wichtig ist, ob es überhaupt etwas zu bedeuten hat …«
Der dunkle Ton in der Stimme der Signora erinnerte Carlotta an ein Gespräch mit einem Arzt, der soeben eine Pestbeule unter der Achsel des Kranken gefunden hatte.
Sie stellte das Tablett ab. »Worum geht es?« Auch in ihrer eigenen Stimme schwang nun etwas Dunkles mit, vielleicht eine Vorahnung, wie man sie in besonders klaren Momenten hat, in denen man glaubt, ein Fenster in die Zukunft würde aufgestoßen.
»Jemand geht herum und stellt Fragen über dich«, sagte die Signora.
»Wer?«
»Keine Ahnung. Irgendein Mann. Ich glaube nicht, dass er sich im eigenen Namen erkundigt, denn er soll alles andere als wohlhabend ausgesehen haben, hat jedoch nicht mit Denaren gegeizt, um zu erfahren, was er wollte. Er war hier im Teatro und hat sich bei einigen der Mädchen über deine Zeit bei uns erkundigt. Er wollte wissen, woher du kommst und was du früher gemacht hast. Eines der Mädchen hat mir davon erzählt, ich selbst bin dem Mann nicht begegnet, sonst hätte
ich ihn mit der linken Hand am Kragen gepackt und mit der rechten zwischen den Beinen, und dann hättest du mal sehen sollen, wie schnell wir herausbekommen hätten, für wen er arbeitet.«
»Das kann alles Mögliche bedeuten«, sagte Carlotta. »Vielleicht fühlt sich jemand von mir erotisch angezogen und will alles über mich wissen, bevor er mich bittet, seine Konkubine zu werden. Ein solches Vorgehen ist absolut üblich.«
Signora A wiegte den Kopf. »Was er nicht wissen wollte, war, ob du mal krank warst oder ob du bereits jemandes Konkubine bist, und das sind die Fragen, die solche Leute normalerweise stellen. Da die Mädchen, auch die, die du von früher kennst, nicht viel über dich wissen, hat ihm seine Fragerei nichts genützt. Aber ich habe den Eindruck, dass er sich nicht nur im Teatro über dich erkundigt hat, und da du früher auch in anderen Häusern gearbeitet hast … Wenn du willst, kann ich Milo bitten, mehr über die Sache herauszubekommen. Er kennt tausend Leute und hat Verbindungen überallhin. Der findet im Nu heraus, was dahintersteckt.«
»Schaden kann es nicht.«
»Das meine ich auch.« Signora A streichelte über Carlottas Haar.
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