Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom
Sandros Arm, und seine Augen blitzten auf. Für einen Moment wurde es Sandro mulmig in seiner Haut. War er im Eifer des Gefechts zu weit gegangen?
Doch plötzlich, als habe ein göttlicher Wind die Wolken weggepustet, lachte Julius. Sandro fand den Papst nie unheimlicher, als wenn er lachte.
»Du gefällst mir, Carissimi. Mit jedem Tag, der vergeht, mag ich dich ein wenig mehr.«
Sandro hielt es für klüger, zu verheimlichen, dass bei ihm das Gegenteil der Fall war. Er räusperte sich. »Wir waren bei Forli stehen geblieben.«
Sie knieten noch immer nebeneinander, aber nun wandten sie sich einander zu. »Massa kam am nächsten Morgen, also am Morgen nach Maddalenas Tod, zu mir und bat darum, dir Forli an die Seite stellen zu dürfen. Mir war klar, dass es Massa dabei nicht um den Erfolg der Untersuchung ging, sondern
dass er irgendeinen Hintergedanken dabei hatte. Und er war so freimütig, ihn nicht vor mir zu verbergen. Er und Quirini sind Gegner, sie gehören verschiedenen Kreisen des Vatikans an, welche sich auf die Zeit nach meinem Tod vorbereiten, auf die Schlacht, die man Konklave nennt. Das war mir natürlich längst bekannt. Aber ich muss dennoch sagen, dass Massa es geschafft hat, mich zu überraschen, und zwar mit der Heimtücke seines Vorhabens und mit der Schnelligkeit, in der er diesen Plan entwickelt hatte.«
Also doch, dachte Sandro. Seine Ahnung war von Anfang an richtig gewesen. »Er benutzt Forli, um Quirini die Schuld an Maddalenas Tod in die Schuhe zu schieben.«
»Gut, Carissimi, sehr gut. Und doch nur teilweise richtig. Wie ich dir schon sagte, ist es mein Interesse, den Mörder Maddalenas zu bestrafen, und das hat Vorrang vor Massas Ränken. Ich habe also mit ihm ausgehandelt, dass Quirini für die Dauer von zwei, drei Tagen offiziell des Mordes verdächtigt werden darf. Diese Zeit reicht aus, damit Quirinis Clique sich von ihm löst – was sie zweifellos tun wird, wenn es so weit ist, denn Loyalität ist im Vatikan nur ein Gast, den man schnell hinauswirft, wenn er lästig wird. Massa wird die Stunde von Quirinis Schwäche nutzen, um einige von Quirinis Verbündeten abzuwerben, und wenn Quirini wieder entlastet wird, ist er enorm geschwächt. Die Untersuchung geht selbstverständlich weiter. Damit ist mir und Massa gleichermaßen geholfen.«
»Inwieweit ist Forli in Massas Absichten eingeweiht?«
»Das weiß ich nicht. Ich habe Massa die Erlaubnis erteilt, zu verfahren, wie es ihm beliebt, und mich danach nicht weiter darum gekümmert. Er hat wohl diesen Forli hinzugezogen, weil er annahm, dass du nicht dumm genug oder nicht gemein genug bist, um sein Spiel mitzuspielen.«
Massa hatte es versucht, fiel Sandro ein. Am ersten Abend
in der Villa hatte er ausgelotet, ob er Sandro als Verbündeten gewinnen könnte – und hatte eine Abfuhr bekommen. Danach hatte Massa anders disponiert.
»Wenn Ihr wusstet, was Massa vorhat«, sagte Sandro, »wieso habt Ihr ihm freie Hand gelassen? Ihr hättet ihm die Erlaubnis verwehren können, sein – wie Ihr es nanntet – Spiel zu spielen.«
»Dass ich dir das überhaupt erklären muss … Wirklich, Carissimi, ich halte dich für einen schlauen Kopf, aber manchmal bist du erschreckend einfältig. Hast du überhaupt eine Ahnung, welche Stellung jemand wie Massa einnimmt? Der Kammerherr eines Papstes ist in so ziemlich jedes apostolische Geheimnis eingeweiht, einschließlich der Einnahmen und Ausgaben eines Heiligen Vaters. Massa weiß alles. Verstehst du? Alles. Und nach jenem – jenem schrecklichen Abend, als er die Dinge in die Hand nahm, war ich ihm erst recht etwas schuldig.«
Sandro seufzte, und dieses Seufzen reichte, um Julius zu ver ärgern.
»Was ziehst du denn schon wieder für ein Gesicht, Carissimi? Ich kenne dieses Gesicht, du hast es schon einmal in Trient aufgesetzt, als wir uns zum ersten Mal begegneten und ich dir erklären musste, was Politik ist. Hast du nichts begriffen, nichts dazugelernt? Glaubst du immer noch, ein Papst müsse gerecht sein? Politik ist nicht gerecht, das ist ein Widerspruch in sich. Politik bedeutet, Kompromisse zu schließen, und in jedem Kompromiss liegt bereits der Keim des Ungerechten. Und warum? Weil es eine blassgraue Reinheit nicht gibt, Sandro. Jede Trübung einer reinen Idee ist ein vollkommener Verlust der Reinheit, und somit ist die Reinheit eine Illusion, denn das Leben ist voller Trübungen und Halbwahrheiten. Es gibt keine Reinheit, ebenso wenig wie Gerechtigkeit.«
Sandro schwieg, und
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