Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom
anzusehen.
Francesca Farnese wurde von der Wache abgeführt. Sandro wusste, welche Strafe ihr als zweifache Mörderin drohte, aber er wagte es nicht, sich vorzustellen, wie sie vollstreckt und welchen Martern man Francescas Körper zuvor unterziehen würde. Sie hatte die Geliebte des Papstes getötet – dafür und nur dafür würde man sie hinrichten, auch wenn Anklage und Richterspruch bemüht wären, einen anderen Eindruck zu erwecken.
Während er gesprochen hatte, war er – trotz einer gewissen Erschütterung – stolz gewesen auf seine Leistung, seinen Anteil am Erfolg bei der Aufdeckung eines halb legalen Geschäfts und zweier Gewaltverbrechen. Sein Herz hatte schneller geschlagen, er hatte das Blut in seinem Kopf gespürt, so als rauschte eine Unmenge Wein durch ihn hindurch, ein Gefühl, das danach verlangte, wiederholt zu werden. Doch jetzt, wo es fast vorbei war, wo die Schuldige verhaftet und der Auftrag erledigt war, fühlte er sich leer und einsam, so als hätte es nie eine Hochstimmung gegeben. Ein Strohfeuer, das in sich zusammenbrach.
Alles, was um ihn herum geschah, nahm er in hellwachem Zustand wahr, aber er fühlte nichts dabei, war völlig emotionslos.
Seine Mutter kam auf ihn zu und gab ihm eine schallende Ohrfeige. Er verstand, wofür er sie erhielt. Er hatte Elisa dieser Tortur ausgesetzt, mit ansehen zu müssen, wie ihr Zögling sich als Dirne und Verbrecherin entpuppte, ja, wie sie in Gegenwart anderer von ihr beschimpft und gedemütigt worden war. Doch er bereute nichts, er musste sich eingestehen, sogar ein klein wenig Befriedigung darüber zu empfinden, dass Elisa einmal die Folgen ihrer überspannten Frömmigkeit und passiven Tyrannei zu spüren bekam. Vor allem deswegen hatte er sie hierher eingeladen. Ja, er hatte ihr wehtun wollen. Seit er auf der Welt war, hatte sie ihn in ihrem Bann gehalten, hatte sein Leben dirigiert, hatte ihn zu Unselbstständigkeit und bedingungslosem Gottvertrauen erzogen, und es bei alledem sogar noch geschafft, dass er sie dafür liebte. Heute hatte er zum ersten Mal in seinem Leben das Gefühl, dass Elisa keine Macht mehr über ihn hatte, auch wenn seine Liebe zu ihr ungebrochen war.
Sie wandte sich ab und ging fort, und er wusste, es würde für lange Zeit, vielleicht für immer sein.
Alfonso tauschte einen Blick mit ihm. Sandro meinte Anerkennung in seinen Augen zu sehen, aber sie bedeutete ihm so wenig wie die Ohrfeige seiner Mutter. Vater und Sohn kamen keine Worte über die Lippen, sie hatten sich nichts zu sagen. Einer war dem anderen von jeher eine Enttäuschung gewesen, und wenn Alfonso Geld ausgegeben hatte, um Sandro zu fördern, so war es deshalb geschehen, weil er – ebenso wie Elisa – aus ihm das machen wollte, was ihm vorschwebte.
Alfonso ging. Sandro fühlte ein leichtes Brennen auf der linken Wange und ein kurzes Bedauern, wie man es auch dann empfindet, wenn eine ungeliebte Vergangenheit abgeschlossen wird.
Die Reihen lichteten sich. Seine Familie, Kardinal Quirini, Ranuccio Farnese, Signora A, Milo … Sie alle gingen nach Hause, und als er einen Blick in das Schlafgemach warf, stellte er fest, dass Papst Julius und Massa die Villa über die Terrasse verlassen hatten.
Auch Antonia und Carlotta verabschiedeten sich. Keiner, das spürten sie, hatte in dieser Nacht Lust auf eine Unterhaltung.
Er nickte.
Es war besser so.
Nachdem alle gegangen waren, schwand das letzte Gefühl in Sandro, einen Erfolg errungen zu haben. Ganz allein in der Villa, war er umgeben von Attributen eines Dramas atridischen Ausmaßes, von einem Sekretär, auf dem Maddalena geschrieben, einem Bett, in dem sie geschlafen hatte; von einer Perücke, einem winzigen Smaragd; von Porträts an der Wand, die Maddalena zeigten, und von einem Kleid, das den Geruch Porzias ausströmte. Die eigentliche Tragödie – von der er nicht wusste, ob irgendjemand außer ihm sie erkannte – war, dass zwei Menschen noch leben würden, wenn Francesca-Porzia imstande gewesen wäre, die Gefühle zu erfassen, die Maddalena ihr entgegenbrachte. Maddalena hatte Porzia geliebt, denn wieso sonst hätte sie sie als Erbin einsetzen wollen und wie sonst hätte sie sie an jenem Abend in der Gestalt auf der Treppe erkennen können? Vermutlich, dachte Sandro, waren es die Augen gewesen, die Maddalena wiedererkannt hatte, denn jemand, der liebt, erkennt den geliebten Menschen am ehesten an diesen Spiegeln der Seele. Maddalena hatte Porzia geliebt, sie hatte irgendetwas
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