Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom
– und wird Euch bis zuletzt lieben.«
Sieben Tropfen fielen in das lange Schweigen hinein. Dann stand Sandro auf.
»Wird man sie …?« Forlis Stimme versagte.
»Ja«, sagte Sandro. »Wenn Ihr wollt, bitte ich den Papst, dass man Euch zu ihr vorlässt.«
»Nein«, antwortete Forli eilig. »Nein, das will ich nicht.«
Sandro nickte und ging zur Tür.
»Carissimi«, rief Forli.
»Ja?«
»Ihr seid ein anständiger Kerl. Versprecht Ihr mir etwas?«
»Natürlich.«
Ein Tropfen fiel. »Bitte – nehmt Ihr die Beichte ab, bevor sie … stirbt.«
Sandro sah Forli lange an und nickte schließlich. »Sofern sie zustimmt, werde ich ihr die Beichte abnehmen.«
»Danke. Versprecht Ihr mir noch etwas?«
»Sicher.«
»Bleibt so, wie Ihr seid.« Forli wandte sich ab zum Zeichen, jetzt allein sein zu wollen.
»Ich werde mich bemühen«, sagte Sandro.
Als Sandro wieder ins Freie kam, leuchtete über dem Gianicolo schon zart der Morgen. Er war müde, aber zugleich spürte er den Drang, wach zu bleiben, so als ginge es darum, die Welt zu verändern.
Die halbfertigte Kuppel des Petersdoms hob sich vom Morgengrauen ab.
»Sebastiano starb, weil auch er, wie vor ihm Maddalena, hinter Francescas Geheimnis gekommen war«, sagte Sandro. »Er stolperte zufällig über die Wahrheit, deren ganzes Ausmaß ihm erst nach und nach, in der Zeit seines Ausgangsverbots, klar wurde. Als er nach dem Gespräch mit mir in den Vatikan zurückkehrte, beschrieb der Prior ihn als irritiert, nachdenklich und beunruhigt, und als er etwa dreißig Stunden später auf der Verlobungsfeier seines Bruders erschien, war er bereits derart erregt, dass er ein Gespräch mit Don Ranuccio und meinem Vater, Don Alfonso, verweigerte und stattdessen sofort zu seiner Schwester eilte.«
»Die Ohrringe«, flüsterte Angelo. »Er hatte Donna Francescas Ohrringe in der Villa gefunden. Dass er den Schmuck erkannte, ist nicht verwunderlich. Aber Ihr, Exzellenz, woher wusstet Ihr, dass die Ohrringe Donna Francesca gehörten?«
Angelo bot ihm Gebäck an. Er hatte mehrere Schalen mit allerlei Zuckerwerk auf Sandros Schreibtisch kredenzt – zur Feier des Tages, wie er sagte. Der Skandal um die Mörderin aus dem Hause Farnese war wie ein Lauffeuer durch die ganze Stadt gegangen, und Sandro war über Nacht zu einer Berühmtheit geworden. Einer Berühmtheit, der Angelo diente,
was er zweifellos von heute an wie ein Wappen mit sich herumtragen würde.
Sandro hatte, obwohl er seit gestern Mittag nichts gegessen hatte, keinen Appetit. Trotzdem nahm er etwas von dem Gebäck, weil er Angelo nicht enttäuschen wollte. Und aus dem gleichen Grund stand er seinem Diener Rede und Antwort. Er war Angelo gegenüber oft mürrisch und kurz angebunden gewesen, weil ihn irgendetwas an ihm störte. Doch Sandro war zu sehr Jesuit, als dass er sich dafür nicht selbst getadelt hätte. Heute war eine gute Gelegenheit, sich seinem Diener etwas offener zu zeigen.
»Als ich am Abend der Feier das Haus Don Ranuccios durchstreifte, war mir das Porträt seiner Eltern aufgefallen: das hochmütige, abstoßende Gesicht des Vaters, die traurige, fast resignative Haltung der Mutter. Sie trug ein grünes Kleid und dazu passende Smaragdohrringe in einer silbernen, einzigartigen, hübsch ornamentierten Fassung. Kein Wunder, dass Sebastiano, der sehr an seiner Mutter gehangen hatte, diese an Francesca vererbten Ohrringe sofort erkannte. Ich selbst erinnerte mich erst wieder an die Ohrringe, als Antonia – ich meine, Signorina Bender – den kleinen Stein im Lederbeutel entdeckte.«
»Er hatte sich während der Aufbewahrung im Beutel gelöst.«
Sandro biss ein Stück des speisüßen Kekses ab und schluckte es mithilfe des von Angelo servierten Wassers hinunter.
»Zum Glück«, sagte er. »Ich hatte die Ohrringe ja nur kurz im Sekretär liegen sehen und ihnen in diesem Augenblick keine weitere Bedeutung zugemessen, sodass mir ihr späteres Fehlen nicht auffiel. Da lag so viel anderes Zeug im Sekretär herum … Sebastiano Farnese ging es natürlich ganz anders. Die volle Tragweite seiner Entdeckung hatte er, wie gesagt, noch nicht erkannt, aber die Tatsache, dass Francescas Ohrringe im Sekretär
einer ermordeten Konkubine lagen, behagte ihm ganz und gar nicht. Er und Francesca standen sich ungewöhnlich nahe, sie vertrauten einander viel an, und so ist es wahrscheinlich, dass Francesca ihrem Bruder irgendwann angedeutet hatte, welcher Sturm von Emotionen in ihr tobte.«
»Also ahnte er bereits
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