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Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom

Titel: Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Sebastianos Kutte. In der einen Tasche fand er ein Kruzifix, das normalerweise zwar um den Hals getragen wurde, von Sebastiano jedoch eingesteckt worden war. Ferner zahlreiche Krümel eines Gebäcks, das vermutlich von der gestrigen Feier stammte. Aus der anderen Tasche zog Sandro einen braunen Lederbeutel, der jenen glich, die von der camera secreta , der Schatzkammer des Papstes, benutzt wurden.
    Der Beutel war leer.

22
    »Vater, vergebt mir, ich habe gesündigt.«
    Julius III. kniete inmitten der Sixtinischen Kapelle, der Privatkapelle der Päpste, auf einem blutroten Samtkissen. Seine Augen waren trüb vom Wein, die Wangen und der Halslappen wurden von Fett und Schwermut nach unten gezogen, und der Rücken krümmte sich wie unter einem Sack Mehl. Ein mildes Tageslicht jedoch, das sich mit den Farben Michelangelos mischte, brachte das goldgelbe Gewand des Pontifex zum Strahlen und hob die kummervolle Wirkung seiner Gestalt teilweise wieder auf.
    Sandro kniete neben ihm. »Sagt mir, warum Ihr gekommen seid, Eure Heiligkeit.« Er bemerkte seinen Fehler, als er den pfeilschnellen Seitenblick des Papstes auffing. Es fiel ihm schwer, nicht daran zu denken, dass er mit dem höchsten Priester, dem Nachfolger Petri, dem Herrn der Ewigen Stadt, dem Gebieter über Kronen und Christen sprach. Und doch war Julius in diesem Moment nur ein Kind Gottes, und Sandro war der Priester, der über Wohl und Wehe seines Seelenheils entschied. Er korrigierte sich: »Sag mir, warum du gekommen bist, mein Sohn .«
    Julius flüsterte: »Ich will beichten Gott dem Allmächtigen und Euch, Vater, meine Sünden.«
    »Wann hast du das letzte Mal gebeichtet?«
    »Ich erinnere mich nicht. Ich beichte vor jeder Messe, die ich halte und an der ich teilnehme, aber das sind keine wirklichen Beichten. Sie verschweigen zu viel, diese Beichten, sie treffen nicht den Kern meines – meines Schmerzes.«
    »Wieso beichtet Ihr – beichtest du nicht alle deine Sünden, mein Sohn?«
    »Das kann ich nicht.«

    »Und doch bist du zu mir gekommen.«
    Julius knabberte innen an seiner Wange, und sein Blick suchte Zuflucht an der Decke, bei der Trunkenheit Noahs.
    »Da gibt es einen Schmerz unter diesen vielen, der größer, der unerträglich ist. Ich schlafe nicht mehr, ich esse ohne Appetit, meine Gedanken drehen sich nur noch um dieses eine, was ich getan habe und was ich nicht mehr rückgängig machen kann.«
    »Was möchtest du mir sagen, mein Sohn?«, fragte Sandro.
    »Maddalena …«
    Sandro hielt den Atem an. »Was ist mit Maddalena?«
    »Ich habe sie … an jenem Abend habe ich auf sie gewartet. In ihrer Villa – meiner Villa – der Villa, in der sie wohnte. Ich bin kurz nach Einbruch der Dunkelheit zu ihr gegangen. Auf der Terrasse standen zwei Weinkelche, aber Maddalena war nicht da. Das – das war das erste Mal, dass sie nicht da war, denn sonst ließ ich meine Besuche ankündigen. An diesem Abend jedoch erschien ich unangekündigt.«
    »Hattet Ihr – hattest du dafür einen Grund?«
    »Es war so ein Gefühl … Ich kann es schwer erklären. In letzter Zeit fand ich sie ein wenig verändert, so als entferne sie sich von mir, ja, als stehe ich am Ufer und sie befindet sich auf einem Schiff, das langsam ablegt und in die Ferne segelt. Als ich an jenem Abend allein war, ging mir diese Veränderung Maddalenas ständig im Kopf herum. Ich fand keine Ruhe, und schließlich vermisste ich sie so stark, dass ich sie auf der Stelle sehen wollte.«
    »Du hast also auf sie gewartet.«
    »Ja, sehr lange sogar. Sie kam spät. Ich lag auf dem Bett im Dunkeln und hörte, wie sie die Villa betrat. Die Tür fiel ins Schloss, sie schob den Riegel vor. Doch ich rief nicht nach ihr. Erst wusste ich nicht, wieso ich nicht nach ihr rief, aber dann verstand ich es: Ich war argwöhnisch. Ich schloss die Möglichkeit
nicht aus, dass sie nicht allein gekommen war, dass sie einen Mann bei sich hatte, dass sie mich betrog …«
    Julius stolperte über dieses letzte, unangebrachte Wort, denn er schwieg plötzlich. Sein Blick kletterte die Erschaffung Evas bis zum Sündenfall hinauf.
    »Ich hatte mich geirrt, zumindest was ihre Begleitung anging, denn sie war allein. Sie erschreckte sich fast zu Tode, als sie mich sah, und geriet in arge Verlegenheit. Ich fragte sie, woher sie komme, und sie antwortete, einen Spaziergang gemacht zu haben. Sie log. Ich sah es. Ich spürte es. Mein Blut begann zu rasen. Ich warf ihr vor, mich zu hintergehen, und sie log weiter. Sie log, log, log.

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