Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom
interessieren würde. Nur möchte ich ganz offen mit Carissimi über alles reden. Ich glaube mittlerweile, wir können ihm vertrauen.«
Massas kleine Augen bekamen einen Anflug von Lebhaftigkeit. »So, glaubt Ihr?«
»Ja, ehrwürdiger Vater.«
»Und was, wenn ich Euch nun sage, dass der von Euch so hochgeschätzte Carissimi die halbe Untersuchung des Mordfalls hinter Eurem Rücken betreibt? Er arbeitet mit einer zweifelhaften Frau, einer gewissen Carlotta da Rimini zusammen, die für ihn im Milieu der Huren von Rom ermittelt. Hat er Euch davon erzählt?«
»Nein, er …«
»Nein, sonst hättet Ihr mir davon erzählt. Ferner hatte er eine Unterredung mit Sebastiano Farnese, und zwar am
Tag nach dem Mord. Wie sieht es damit aus? Wusstet Ihr davon?«
»Nein, ich …«
»Da seht Ihr, wie ehrlich und anständig Bruder Carissimi mit Euch zusammenarbeitet. Meint Ihr immer noch, dass Ihr ihm vertrauen könnt? Übrigens, dass ich davon erfahren habe, ist einzig dem Umstand geschuldet, dass ich Euren Fähigkeiten nicht allzu sehr vertraut habe und Carissimi beschatten ließ.«
Forlis Hände ballten sich zu Fäusten. Wie stand er denn jetzt da, getäuscht und übertölpelt von einem Jesuiten! Massa musste ihn für einen kompletten Versager halten, aber weit schlimmer war die Wut, die er sich selbst gegenüber verspürte. So wie heute hatte er sich noch nie zum Narren gemacht.
Massa stand auf, ging um den Schreibtisch herum zu Forli und schlug einen überraschend versöhnlichen Tonfall an. »Mein lieber Hauptmann, Ihr dürft Euch deswegen nicht zu viele Vorwürfe machen. Ihr seid neu in Rom, habt Euer ganzes Leben in Trient zugebracht, und das – verzeiht mir, wenn es abfällig klingt – ist ungefähr so, als setzte man einen Volierenvogel in einer Wildnis aus. Das hätte ich berücksichtigen müssen, als ich Euch für diesen Auftrag instruierte. Genau genommen trage ich sogar weit mehr Schuld an der Situation als Ihr, denn ich hätte wissen müssen, wie es um Carissimi steht.«
»Wie meint Ihr das?«
»Nun, ich hatte zwar den Verdacht, dass Carissimi sich dem Klüngel von Kardinal Quirini zugeneigt fühlt, denn Quirini bemühte sich schon seit einiger Zeit um ihn – das sagte ich Euch bei unserer ersten Unterredung -, aber ich habe nicht erkannt, dass er längst Teil des Klüngels geworden ist und sich mit Leib und Seele der Partei Quirinis angeschlossen hat. Ihr seht, er hat uns alle getäuscht.«
»Heißt das, Ihr glaubt nicht länger nur, dass Carissimi blind
gegenüber dem Verdacht gegen Quirini ist, sondern dass er aktiv bemüht ist, Quirini zu schützen?«
»Alles spricht dafür, meint Ihr nicht? Ich habe erfahren, dass Ihr und Carissimi gestern im Archiv der Apostolischen Kammer wart. Was habt Ihr dort herausgefunden?«
»Quirini hat viertausend Dukaten bar an ›Augusta‹ – angeblich ein Bankhaus – gezahlt. Aber Barzahlungen an Bankhäuser sind absolut unüblich.«
»Wenn wir davon ausgehen, dass es sich bei ›Augusta‹ um Maddalena handelt, was müssen wir daraus schließen?«
»Dass sie ihn erpresst hat.«
»Richtig. Oder dass er Maddalena für Gaunereien benutzte, indem er ihr – alias dem Bankhaus ›Augusta‹ – hohe Summen zukommen ließ, die er sich mit ihr teilte. Veruntreuung von Kirchenvermögen also. Und wie hat Carissimi nun auf diese Erkenntnis reagiert?«
Forli dachte nach. Tatsächlich: Als er Carissimi mit seinem Verdacht gegen Quirini konfrontierte, hatte Carissimi ausweichend reagiert. Ihr versteht mich nicht, hatte er gemurmelt, ohne jedoch eine Gegenthese aufzustellen.
»Er zog in Zweifel, dass Quirini die Summe ausgezahlt hatte«, sagte Forli.
»Und wischte damit den Verdacht gegen seinen Gönner beiseite.«
»Statt Quirini zur Rede zu stellen, wollte er seine Schwester befragen.«
»Eine solche Frechheit ist nicht zu fassen«, rief Massa. »Dieser Jesuit verdächtigt alle Welt, zuerst seinen Vater, jetzt seine Schwester, weiß Gott, wen er sonst noch verdächtigt. Das Spiel, das er treibt, ist offensichtlich.« Massa zählte an den Fingern auf. »Er reagiert abweisend, als Ihr ihm an die Seite gestellt werdet. Er erklärt sich nur widerwillig und nach hartnäckigem Drängen Eurerseits bereit, die Untersuchung auf die
Apostolische Kammer auszudehnen. Er streut seinen Verdacht in alle Richtungen, ins Milieu der Huren, sogar in seine eigene Familie, nur Quirini wird davon verschont. Und er unterschlägt Untersuchungsergebnisse. Da bleibt nur der Schluss, dass er
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