Die Hurenkönigin (German Edition)
erklärte ihm der Oberförster zum Abschied.
Bernhard bedankte sich aufrichtig und ritt gemeinsam mit Josef davon.
In der Brückengasse trennten sie sich, um nach Ursel zu suchen. Sie vereinbarten, sich vor dem Haus »Zum Steinbock« wiederzutreffen, dort, wo die Brückengasse in die Paradiesgasse überging.
Als Bernhard und Josef um die elfte Vormittagsstunde die Gaststube »Zum kleinen Paradies« in der Sachsenhäuser Paradiesgasse betraten, hatten sie bereits fünfzehn Wirtschaften und Fremdenherbergen abgeklappert. Doch nirgendwo fand sich ein Hinweis auf eine ältere Magd, die eine Anstellung als Näherin suchte. Daher hatte sich Bernhard wenig Hoffnung, als er vor den Wirtsleuten seine Frage nach der gesuchten Magd herunterratterte.
Die prompte Antwort der Wirtin riss ihn jedoch aus seiner Mutlosigkeit. »Meint Ihr vielleicht die verwitwete Näherin aus Offenbach? Die hat sich bei uns am Donnerstagmorgen eingemietet, weil sie in Sachsenhausen eine Anstellung gesucht hat«, erklärte die rotwangige Frau mit fester Stimme und beäugte den vornehm gewandeten Mann und seinen angeblichen Knecht mit einem argwöhnischen Blick. »Hat die vielleicht was angestellt?«
Bernhard verneinte nachdrücklich und wies auf Josef. »Das ist ein Verwandter von ihr, der sie in einer dringenden Angelegenheit sucht.«
Die Wirtin runzelte die Stirn. »Das tut mir jetzt aber leid«, murmelte sie betreten. »Denn sie hat sich bei uns schon seit gestern nicht mehr blicken lassen. Hat für drei Tage im Voraus bezahlt. Am Donnerstagabend hat sie noch bis spätnachts in unserer Wirtschaft gesessen und ordentlich einen geschluckt. Die war kein Kind von Traurigkeit! Sie hat sich unter die Leute gemischt und mit denen gelacht und schwadroniert. Aber seit gestern hab ich sie nicht mehr gesehen. Ist wie vom Erdboden verschwunden. Meine Gäste haben auch schon nach ihr gefragt. Keiner weiß was Genaues. Die Leute, mit denen sie am Abend geschwätzt hat, haben nur gesagt, dass sie sich am nächsten Tag bei unseren Adelsherrschaften wegen einer Anstellung bewerben wollte. Was daraus geworden ist, weiß ich nicht. – Ich mach mir schon die ganze Zeit Sorgen. Kerle, ihr wird doch nichts passiert sein?« Die Matrone schlug aufgeregt die Hände zusammen. In ihrem Blick zeigte sich Besorgnis und auch ein gehöriges Maß Sensationsgier.
Nun fühlte sich auch der Wirt bemüßigt, etwas beizutragen. »Wir haben schon überlegt, ob wir das melden sollten. Aber sie hat ja noch für heute bezahlt. Ihr ganzes Zeug hat sie hiergelassen, das ist noch alles in der Dachkammer. Soll ich es holen gehen?«, erkundigte er sich bei Bernhard.
Der Gelehrte nickte stumm und wie versteinert und wechselte mit Josef einen alarmierten Blick. Ehe der korpulente Gastwirt die Treppe hinaufstieg, rief er seiner Frau zu: »Mach doch den Herren ein Bierchen zurecht, Bertha!«
Bernhard trank gerade in durstigen Schlucken von seinem Bier, als der Wirt vernehmlich schnaufend die Treppe wieder herunterkam. Er hatte ein großes Felleisen dabei, das er dem Gelehrten übergab.
»Ist nichts Besonderes drin«, erklärte er. »Ein Nachthemd, ein Wolltuch und ein Kapuzenumhang. Das ist alles. Und was die Weibsleute sonst noch so brauchen, ein Stück Seife und ein Kamm. Ach, und ein Fläschchen Himmelsarznei ist noch dabei …«
Bernhard und Josef bedankten sich, tranken hastig ihr Bier aus und eilten hinaus.
Draußen vor der Tür blickten sie sich bestürzt an.
»Seltsam, dass sie ihre Sachen nicht abgeholt hat«, sinnierte Bernhard düster. »Ich denke, wir sollten den Sachsenhäuser Adelsfamilien mal einen Besuch abstatten.«
Die Näharbeiten an dem Samtgewand gingen Ursel gut von der Hand und trugen dazu bei, sie ruhiger und gefasster zu machen. Allmählich wurde sie wieder zuversichtlich, dass die Freifrau wohl doch nicht wissen konnte, wer sie war. Der Gedanke, dass sie bis jetzt unbehelligt geblieben war, bestärkte sie noch darin. Wenn Lioba wirklich wüsste, dass ich die Hurenkönigin bin, hätte sie mich doch schon längst mit Zeter und Mordio vor die Tür gesetzt!
Während Ursel noch auf dem Boden kauerte, die letzten Stiche an dem Rocksaum vornahm und anschließend den Faden mit der Schneiderschere durchtrennte, hörte sie plötzlich Schritte auf der Wendeltreppe. Gleich darauf wurde der Schlüssel im Schloss gedreht, und die junge Dienerin trat mit einem Tablett in den Händen ins Turmzimmer.
»Ich bringe Euch Euer Mittagessen«, erklärte sie, eilte an den
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