Die Hurenkönigin (German Edition)
sie zu ihr gesagt, dass sie es nicht war. Die wollte noch unbedingt die Hurenkönigin sprechen, bevor sie abkratzt. Und da ist sie doch tatsächlich zu Theodora in den Brückenturm gegangen, obwohl wir sie alle davor gewarnt haben. Sogar Meister Jerg hat ihr abgeraten …« Die Dienstälteste hielt inne und blickte Bernhard, der ihr mit verstörter Miene zuhörte, fragend an. »Wisst Ihr das alles gar nicht?«
»Nein«, murmelte Bernhard. »Wir hatten uns verkracht. Erzählt doch bitte weiter.«
»Na ja, die Nonne hat ihr dann wohl diese Flausen in den Kopf gesetzt. Bei allen Heiligen hat sie geschworen, dass sie die Morde an Rosi und Isolde nicht begangen hat. Und dann hat sich die Meistersen am Donnerstag nach Sachsenhausen aufgemacht und sich seither nicht mehr bei uns blicken lassen«, erklärte Irmelin bekümmert und schenkte sich Wein in den Becher. »Wollt Ihr auch was?«, fragte sie den Gelehrten.
Bernhard lehnte ab und erbat sich stattdessen einen Schluck Wasser. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, stürzte das Wasser hinunter und sagte aufgeregt, er werde sogleich nach Ursel suchen. Dann stürmte er aus der Tür.
Mit weit ausholenden Schritten eilte er zur Neuen Kräme, um seinen Tornister mit den Büchern zu Hause abzustellen und sein Pferd zu satteln. Noch während er aufschloss, öffnete ihm sein alter Leibdiener die Tür, hieß ihn willkommen und erkundigte sich besorgt: »Ihr seht so bleich und mitgenommen aus, Herr, geht es Euch nicht gut?«
»Doch, doch«, murmelte Bernhard zerstreut und stellte seine Büchertasche ab. »Es ist alles in Ordnung, ich muss mich aber gleich wieder aufmachen …«
»Solltet Ihr nicht erst einen Imbiss zu Euch nehmen? Die Köchin wird Euch etwas zubereiten.« Der Alte musterte seinen Herrn mit ernster Miene.
Bernhard wehrte ab. »Nein, dafür habe ich jetzt keine Zeit. Ich muss rüber nach Sachsenhausen.« Er war schon zur Tür geeilt, als der Diener ihn zurückhielt.
»Nach Sachsenhausen? Dann wisst Ihr es also schon?«, grummelte der Alte.
»Was soll ich wissen?«, fragte Bernhard erstaunt.
»Na, dass Pfarrer Schildknecht Euch sprechen will. Der war doch gestern Abend hier. Er wirkte sehr bedrückt. Es sei sehr wichtig, hat er gesagt. Er hat mich gebeten, Euch auszurichten, Ihr sollt Euch bitte bei ihm melden, wenn Ihr wieder zurück seid.«
Der Gelehrte schaute seinen Diener nachdenklich an. »Hat er gesagt, um was es geht?«
»Nein, Herr, und ich habe auch nicht gefragt.«
»Gut, dann mach ich mich jetzt auf den Weg.« Bernhard wandte sich zum Ausgang.
»Ach, ehe ich es vergesse, Herr«, rief ihm der Diener hinterher. »Am Mittwochabend war die Zimmerin hier. Ich habe ihr gesagt, dass Ihr verreist seid. Sie schien darüber sehr betrübt zu sein.«
Bernhard schluckte. Er spürte eine tiefe Wehmut in sich aufsteigen. »Danke, Albert, ich geh dann mal«, verabschiedete er sich heiser und hastete zum Pferdestall.
Unterwegs überkam ihn der beängstigende Gedanke, dass Ursel möglicherweise in großer Gefahr schwebte – falls an ihren Mutmaßungen wirklich etwas dran war. Er musste sie unbedingt finden, sie würden sich wieder versöhnen und dann in Ruhe über alles sprechen. Vielleicht gelang es ihm ja sogar, sie von ihrem törichten Vorhaben abzubringen, oder er konnte ihr wenigstens bei ihren Ermittlungen zur Seite stehen. – Erst musste er sie ausfindig machen, dann würde er den Pfarrer aufsuchen. Am Ende hatte ja das, was ihm sein alter Studienfreund Gerold Schildknecht zu sagen hatte, etwas mit dem ominösen Ringträger zu tun und konnte ihnen dienlich sein.
Als er auf der Brücke an dem Kreuz mit dem goldenen Hahn vorbeiritt, wo zwei Tage zuvor die Nonne Theodora ertränkt worden war, kamen auch ihm leise Zweifel, ob die zarte Ordensfrau tatsächlich die Morde an den beiden Huren begangen hatte.
Bernhards Anspannung wuchs noch, als er das Sachsenhäuser Brückentor passiert hatte und die Brückengasse entlangritt. In jeder einfach gekleideten Frau, die ihm dort entgegenkam, hoffte er Ursel zu erkennen. Sein Blick wanderte die langgezogene Gasse entlang, wo sich eine Gastwirtschaft an die andere reihte. Die meisten davon vermieteten auch Zimmer. In den umliegenden Gassen war es bestimmt nicht viel anders.
Der Gelehrte fluchte innerlich. Ursel hier auszumachen war kein leichtes Unterfangen, zumindest nicht für einen einzigen Mann. Und die Sachsenhäuser Stangenknechte konnte er ja schlecht um Unterstützung bitten.
Mit einem Mal kam
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