Die Hurenkönigin (German Edition)
Würdenträger mit einem vernichtenden Blick.
»Ja, ja«, entgegnete Reichmann betreten. »Ich werde eine andere Siechenmagd damit betrauen. War’s das? Ich habe nämlich noch wichtige Amtsgeschäfte zu erledigen!«
»Nein, das war’s noch nicht!«, erklang plötzlich die tiefe Stimme des Henkers, der sich, ebenso wie Bernhard von Wanebach, während des Disputs zwischen der Hurenkönigin und dem Bürgermeister zurückgehalten hatte. Erstaunt richteten sich die Blicke der Anwesenden auf den Züchtiger, der für seine Wortkargheit bekannt war.
Der Scharfrichter räusperte sich, ehe er in amtlichem Tonfall von sich gab: »In meiner Eigenschaft als Verwalter des Frauenhauses am Dempelbrunnen möchte ich gegen die vom Magistrat vorgenommene Kündigung der Frauenhauswirtin meinen entschiedenen Protest einlegen. Ich halte sie weder für gerecht noch für gerechtfertigt!«
»Dem kann ich mich nur anschließen!«, stimmte ihm Bernhard von Wanebach mit grimmiger Miene zu. »Herr Bürgermeister, ich ersuche Euch nicht nur, die ausgesprochene Kündigung auf der Stelle zurückzunehmen, sondern auch, Euch dafür bei der Gildemeisterin in aller Form zu entschuldigen.«
»Na ja, nun, ich werde sehen, was ich tun kann … Wie sich ja inzwischen erwiesen hat, ist Schwester Theodora ja auch kein Unschuldslamm – und ich kann den Groll der Zimmerin sogar ein Stück weit verstehen«, erwiderte Reichmann mit säuerlichem Lächeln. Er warf der Hurenkönigin einen entschuldigenden Blick zu, doch diese machte seine Beschwichtigungsversuche sogleich zunichte.
»Was glaubt Ihr eigentlich, wer Ihr seid?«, platzte es mit einer Heftigkeit aus ihr heraus, dass nicht nur der Angesprochene, sondern auch ihre Verbündeten die Luft anhielten. »Erst jagt Ihr mich vom Hof und dann wollt Ihr mich wieder herbeiholen! So lasse ich nicht mit mir umspringen! Mich seid Ihr los, und das ab sofort. Und ich bin auch nicht hierhergekommen, um Abbitte zu leisten. Ich will nur, dass Ihr dafür Sorge tragt, dass unsere Gildeschwester Ingrid aus diesem Büßerinnenhaus befreit wird.«
Der Henker und Bernhard von Wanebach sahen sprachlos zu, wie die Hurenkönigin, anstatt den Versöhnungsversuch des Bürgermeisters anzunehmen, nun auch noch das letzte Stückchen Geschirr zerdepperte.
Reserviert sagte Reichmann: »Immerhin ist sie freiwillig ins Kloster gegangen, und ich gehe davon aus, dass sie es auch wieder aus freien Stücken verlassen kann. Ich sehe also keine Notwendigkeit, deswegen jetzt einen solchen Wirbel zu veranstalten. Und wer weiß? Vielleicht ist sie ja tatsächlich einsichtig geworden und will den Schleier nehmen«, fügte er mit spöttischem Lächeln hinzu.
»Das glaube ich erst, wenn ich es aus ihrem eigenen Munde höre!«, rief die Zimmerin empört.
»Das bleibt Euch unbenommen. Was hält Euch also davon ab, sie im Kloster aufzusuchen und sie danach zu fragen?« Der Würdenträger musterte die Hurenkönigin mit unbewegter Miene.
»Ich hatte gehofft, dass uns ein paar Stangenknechte unterstützen könnten …«, murmelte die Zimmerin unwillig.
»Unterstützung habt Ihr Euch doch schon geholt, wie ich sehe«, bemerkte der Bürgermeister süffisant und sah auf den Henker und Bernhard von Wanebach. »Versucht erst mal selber Euer Glück, Zimmerin. Und wenn die Nonnen Eure Gildeschwester tatsächlich in Ketten gelegt haben, können wir immer noch die Stangenknechte ins Kloster schicken.«
Als die junge Nonne den Laden an der Klosterpforte öffnete und die gelbgewandete Hurenkönigin mit ihren beiden Begleitern gewahrte, verhärteten sich ihre Gesichtszüge. Abweisend erklärte sie: »Es tut mir leid, aber ich kann Euch nicht einlassen.«
Die Zimmerin funkelte die Nonne an. »Das braucht Ihr auch gar nicht«, erwiderte sie. »Ich möchte Euch jedoch mit allem Nachdruck dazu auffordern, unsere Lohnsetzerin herzuholen – und zwar flugs.«
Die Schwester zog den Kopf ein. Während sie schon dabei war, den Laden zu schließen, murmelte sie: »Das wird nicht möglich sein, unsere Laienschwester befindet sich in Klausur und darf nicht gestört werden.«
Unversehens schnellte die mächtige Pranke des Henkers vor und donnerte so heftig gegen den Holzladen, dass er gegen die Tür schlug.
»Hilfe!«, schrie die Nonne und flüchtete hektisch über den Innenhof ins Hauptgebäude.
»Holt sofort die Hübscherin her, sonst breche ich das Tor auf!«, brüllte der Henker ihr nach und trat, um seiner Drohung Nachdruck zu verleihen, gegen das
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