Die Hurenkönigin und der Venusorden
Seelenpein, als sie hervorstieß: »Aber ich will hier nicht weg! Ich liebe Ursel und kann ohne sie nicht sein …«
Bernhard sog vernehmlich die Luft ein. Seine erstarrten Züge bebten, als er sich vom Tisch erhob und auf Ursel zutrat, die schweigend und mit bestürztem Gesichtsausdruck an Almas Seite saß. Die Offenbarung hatte ihr wohl die Sprache verschlagen. Bernhard trat hinter seine Geliebte und legte die Hände auf ihre Schultern. »Ursel ist meine Gefährtin!«, schrie er Alma ins Gesicht. »Wir lieben uns, und ich lasse nicht zu, dass du alles kaputtmachst! Du hast doch nur Unglück über uns gebracht, du verfluchte Hexe, du!«
»Bernhard!«, flüsterte die Hurenkönigin entsetzt und packte ihn am Handgelenk.
Alma hatte sich erhoben und baute sich drohend vor ihrem Widersacher auf. Ursel, die zwischen den beiden saß, stockte unwillkürlich der Atem, als sie das hasserfüllte Antlitz der Freundin gewahrte.
»Nimm dich vor diesem Schurken in Acht, Ursel!«, zischte Alma der Hurenkönigin zu. »Er tarnt sich als harmloser Gelehrter und ist im Grunde seines Herzens nichts anderes als ein niederträchtiger Demagoge und Hetzprediger! Ich kenne diese Blender! Sie sehen gut aus, gehen einher in Samt und Seide, umschmeicheln und hofieren dich, und eh du dich versiehst, landest du auf dem Scheiterhaufen, und sie lächeln dich noch an, wenn sie das Feuer entzünden …«
Bernhard holte aus und gab Alma eine schallende Ohrfeige. Es ging alles so schnell, dass Ursel es kaum fassen konnte. Sie hörte nur das laute Klatschen und Almas Aufschrei.
Ohne ein weiteres Wort stürzte Bernhard hinaus und schlug krachend die Tür hinter sich zu.
Ursel saß da wie gelähmt. Noch nie hatte sie erlebt, dass ihr sanftmütiger und in sich gekehrter Geliebter gewalttätig wurde, und sie war einfach fassungslos.
»Jetzt siehst du, wie er wirklich ist!«, wetterte Alma völlig außer sich und presste sich die Hand an die schmerzende Wange. »Eben hat er sein wahres Gesicht gezeigt!«
»Du hast ja auch ordentlich Öl ins Feuer gegossen«, platzte es aus der Hurenkönigin heraus. Ihr Gesicht war vor Erbitterung gerötet.
Alma schüttelte entgeistert den Kopf. »Du nimmst ihn auch noch in Schutz?«, rief sie empört.
Nun hielt es die alte Irmelin nicht mehr auf ihrem Platz. Sie kam herbeigeeilt und baute sich wütend vor Alma auf. »Die Meistersen hat vollkommen recht!«, polterte sie angriffslustig. »Bei dir wird doch selbst noch der Friedfertigste zur Furie, du Miststück! Was du dem braven Bernhard alles an den Kopf geworfen hast – kein Wunder, dass ihm die Hand ausgerutscht ist.«
Just in diesem Moment ging die Tür auf, und die Huren strömten herein. Die Dämmerung hatte eingesetzt, und den Frauen war es draußen am Brunnen allmählich zu kühl geworden.
»Was habt Ihr denn mit Eurem Galan angestellt, Meistersen?«, erkundigte sich die Jennischen Marie stirnrunzelnd. »Der ist ja eben hinausgestürmt, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her.« Als ihr Blick indessen auf die Ulmerin fiel, rümpfte sie die Nase und schnaubte verächtlich: »Ich verstehe!«
In Almas grünen Augen glitzerten Tränen. »All diese Feindseligkeit hier!«, schrie sie und musterte die Hurenkönigin mit einer Mischung aus Wut und Enttäuschung. »Und du fällst mir auch noch in den Rücken! Was soll ich denn noch hier?«, schluchzte sie und humpelte zur Tür.
»Alma!«, rief Ursel bestürzt und blickte der Entschwindenden nach. Sie war viel zu durcheinander, um irgendetwas zu unternehmen, sie saß da wie vom Donner gerührt.
Irmelin fasste sie beschwichtigend am Arm. »Lass sie doch ziehen, Meistersen«, raunte sie ihr zu. »Reisende soll man nicht aufhalten …«
Als hätte Irene nur auf dieses Stichwort gewartet, hastete sie hinaus und stürmte die Treppe hinauf. Gleich darauf kehrte sie mit einem Felleisen in der Hand zurück und rief atemlos durch die offene Tür des Aufenthaltsraums: »Adieu, Hurenkönigin! Die restlichen Sachen holen wir später ab …«
Die Huren applaudierten hämisch und grölten hinter ihr her.
»Mach dich bloß vom Acker, du Luder!«, knurrte die Jennischen Marie. »Die hat einem doch sowieso nur die ganzen Freier weggeschnappt.«
Irmelin kehrte mit einem vollen Krug Wein vom Tresen zurück und füllte mehrere Becher. Sie reichte einen davon der Hurenkönigin und sagte begütigend: »Trinkt erst mal etwas, Meistersen, und lasst das Ganze ein bisschen sacken. Und später, wenn Ihr Euch wieder eingekriegt habt,
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