Die Hurenkönigin von Alezcana - ROTE LATERNE - Band 3 (German Edition)
weiter, und Maria lernte wieder lachen. In dieser Zeit machte Rodrigo seinen Schützling mit Don Alexandro bekannt, der in Toplizcan einen Nightclub nach amerikanischem Muster betrieb. Es kamen viele Fremde, denn die Shows im Trocadero waren berühmt.
"Es kommen Hunderte!", erklärte Alexandro. "Hunderte sagen, sie könnten singen, und wenn sie den Mund aufmachen, dann klingt es, als würde man einer Katze auf den Schwanz treten."
"Hör sie dir an!", bat Rodrigo leidenschaftlich und packte den Clubbesitzer an den Aufschlägen seines weißen Jacketts.
"Ach, hör auf, Rodrigo! Lass dir an der Bar einen Brand* geben! Du bist mein Freund, du musst mit solchen Tricks nicht schnorren!"
"Hör mir zu, Alexandro!", schrie der Lastwagenfahrer.
"Ich höre!", fiel ihm Alexandro lächelnd ins Wort. Er kannte Rodrigo Ramirez schon eine halbe Ewigkeit und war ihm nicht böse. Rodrigo war ein derber, aber ein ordentlicher Mensch. Er scherzte nicht. "Dir ist es ja ernst?", sagte Alexandro erstaunt.
"Sehr ernst!", keuchte Rodrigo Ramirez. "Das Mädchen hat eine Stimme wie Feuer. Und sie sieht aus, also ich kann es dir nicht beschreiben. Du musst sie selber sehen und hören!"
"Bring sie her!", sagte Alexandro schließlich.
"Ehrlich?"
"Ja! Und wenn du übertrieben hast, fülle ich dich dermaßen mit Brand* ab, dass du jahrelang keinen Tropfen mehr anrührst. Bring sie morgen Nachmittag! Da proben sie auf der Bühne. Ich werde da sein!"
Rodrigo vollführte einen Freudentanz und stieß ein grauenhaftes Geheul aus. Er drehte sich im Kreis und klatschte in die Hände, bis ihm Alexandro ein gefülltes Glas reichte. "Vorschuss!", sagte er.
*
Rodrigo eilte nach Hause und rannte dort fast die Tür ein. Maria machte Maispfannkuchen am Herd. Dazu gab es rote Bohnen mit Chili.
"Evita wird im Trocadero singen! Unsere Evita wird singen!"
"Wirklich?", fragte Maria. Dann wischte sie die Hände an der Schürze ab. "Meine Güte!", rief sie verwirrt aus. "Sie kann doch nicht nackt gehen? Ich werde ihr ein schönes buntes Kleid nähen!"
Die kleine Maria entwickelte hektische Betriebsamkeit, holte Schachteln aus Schränken, bunte Tücher aus Truhen und rannte dann zur dicken Elsa, die immer so schöne Schnittmuster hatte.
Schließlich holten sie Evita vom Feld, das ein Stück hinter dem Haus lag. Alle Kinder arbeiteten dort, und Evita war keine Ausnahme.
"Rasch! Rasch!", trieb Maria mit glühenden Wangen zur Eile an. "Rodrigo hat dafür gesorgt, dass du bei Don Alexandro vorsingen darfst. Stell dir vor, du wirst im Trocadero singen!"
"Ist das ein ..."
"Bordell?", fragte Maria und furchte die Stirn. "Nein, es ist ein sehr angesehener Nightclub, in dem viele Fremde verkehren. Die Gringos bringen gutes Geld. Evita, du kannst ein Star werden! Ich werde dir ein Kleid nähen! Komm schnell!"
Es wurde ein wunderschönes Kleid, das unter den Händen dieser einfachen Frau entstand. Schwarz und rot waren die Farben. Herrlich der Faltenwurf und prächtig die schwarzen, glitzernden Glasperlen, die Maria, weiß Gott woher, aufgetrieben hatte. Evita erkannte sich selbst nicht mehr, und Maria war sehr stolz. Sie glühte vor Glück, denn Evitas Erfolg würde vielleicht auch das Glück der Familie Ramirez sein. Jedenfalls hoffte Maria, Evita würde sich erkenntlich zeigen, wenn sie die goldene Leiter hinaufstieg.
Die Leute im Trocadero betrachteten den ärmlich gekleideten Mann und dieses schöne Mädchen, ein Mädchen, wie man noch keines hier gesehen hatte. Solche Augen, blau wie der Himmel, hatte kaum eine Mexikanerin. Oh wie stolz war Rodrigo! Er führte Evita wie ein Gockelhahn, stelzte und hielt ihren Arm, als dürfe niemand an sie rühren.
Noch nie hatte Evita eine solche Pracht gesehen. Es gab freilich in Mexiko-Cit* weitaus größere Nightclubs. Aber für ein Mädchen aus der Provinz, das noch nie ein solches Haus gesehen hatte, war das Trocadero ein Palast.
"Nun komm schon", drängte Rodrigo. Heute hatte ihm Maria den verwilderten Bart stutzen
müssen, und der Mann hatte wieder einmal ein richtiges Vollbad genommen, normalerweise brauste er sich mit einer alten Gießkanne ab, die an einem Strick neben dem Stall vom Dach herabhing.
Rodrigo Ramirez hatte sich fein gemacht.
"Oh!", sagte Alexandro nur. Mehr sagte er nicht. Er stand da wie ein Stück Holz.
"Das ist Evita!", sagte Rodrigo.
"Evita", wiederholte der schwarzhaarige Alexandro. Er ging langsam auf das Mädchen zu und sah ihm in die Augen. Diese Augen! Nie hatte er solche
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