Die Hurenkönigin von Alezcana - ROTE LATERNE - Band 3 (German Edition)
einen Hund auf die Straße jagen, dann hast du dich geritzt, Freundchen!"
"Wo denkst du hin?", rief Alexandro Prestano entrüstet. "Ich gebe zu, dass mich Evita bis aufs Blut reizt. Aber ich werde sie nie bedrängen, sie ist noch so jung!"
"Du sagst es!", fiel ihm Rodrigo ins Wort."Wenn sie mit dir ins Bett steigen muss, um dafür in deiner Bude Singen zu dürfen, dann hätte ich sie gleich auf den Strich schicken können! Du lässt die Finger von Evita, auch wenn es dir schwerfällt!"
"Gut, gut!", rief Alexandro. "Ich werde sie wie eine Heilige behandeln und ihr nicht zu nahe treten. Und ich werde auch alle anderen von ihr fernhalten. Bist du nun zufrieden?"
"Ja", sagte Rodrigo, aber eigentlich war er es nicht. Es wäre ihm lieber gewesen, Evita hätte noch eine Weile ihren Platz in der Familie behalten. Eine Dirne würde sie nicht werden, aber eine andere Versuchung streckte ihre glitzrigen, täuschenden Finger nach Evita aus, die nun vom süßen, starken Gift des Ruhmes und des Erfolges nippte. Es war ein Gift, das berauschte und selig machte. Eine Sonne, die man nicht sehen, aber fühlen konnte. Die Strahlen des Erfolges leuchteten grell und wärmten auf besondere Weise.
Evita genoss es, verehrt zu werden und etwas darzustellen. Nun konnte sie es sich leisten, den einen oder anderen fühlen zu lassen, dass sie ihn nicht mochte. Aus Alezcana kam noch einmal ein Brief, der Evita beruhigte und tröstete. Das neue Leben, der Ruhm, der Erfolg und all die Menschen, die Evitas Weg säumten, ließen ihr keine Zeit zum Nachdenken. Was sie einst mit Don Felipe erlebt hatte, trat allmählich in den Hintergrund.
Rodrigo hingegen erkundigte sich heimlich und erfuhr, was seiner Zeit mit Pilar Soltano geschehen war. Evita sollte und durfte es nicht erfahren! Aus diesem Grunde log auch Rodrigo, und als Evita einmal darauf drängte, nach Alezcana gebracht zu werden, erzählte er, Pilar sei nach Mexiko-Stadt gegangen und würde von sich hören lassen. Mexiko-Stadt war groß genug, um Evita davon abzuhalten, dort nach Pilar zu suchen. So konzentrierte sich das Mädchen weiter auf seine Karriere.
Sehr schnell war ein Jahr vergangen, und Evita hatte sich verändert. Sie war reif und vernünftig, hatte sich eine gewählte Ausdrucksweise angewöhnt und die Sprache der Dirnen endgültig abgelegt.
Die junge Sängerin war mit ihrem Förderer, Alexandro Prestano, auf vielen Part*s zu Gast. Allein besuchte Evita keine Feier. Weder Alexandro noch Rodrigo hätten dies zugelassen.
Maria unterdessen begleitete Evita auf vielen Reisen als Beraterin und Garderobiere. Diese Arbeit machte der mütterlichen Frau viel Freude, und außerdem wurde Maria Ramirez von Alexandro sehr gut für diese Arbeit bezahlt.
*
Evita arbeitete bald nicht nur im Trocadero. Viele Gastauftritte, auch außerhalb des Landes, waren zu absolvieren. An den Einnahmen war Prestano beteiligt, und auch Rodrigo Ramirez wurde von Evita nicht vergessen, denn ihm hatte sie letztlich ihr neues, schönes Leben zu verdanken. Manchmal dachte sie darüber nach, wo sie wohl gelandet wäre, hätte Rodrigo sie nicht in jener Nacht auf der Landstraße aufgelesen. Dieser Gedanke war jedes mal so unvorstellbar für Evita, dass sie ihn rasch wieder von sich schob.
An jenem Tag im August gastierte Evita am Broadwa*. Alexandro hatte eine hohe Gage ausgehandelt. Zwei Monate sollte Evita in New *ork auftreten. Einen Monat hatte sie bereits hinter sich. Sie residierten in einem sehr guten Hotel. Maria hatte ihr Zimmer neben den Räumen der jungen Künstlerin, Alexandro war auf dem gleichen Flur untergebracht. Er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, eine ganze Zimmerflucht zu mieten. Evitas Gagen machten dies möglich.
"Weißt du, Alexandro", sagte Evita an jenem Abend, als sie noch auf einen Cocktail in die Bar gegangen waren und Maria sich bereits zurückgezogen hatte. "Ich erinnere mich, was du mir einmal gesagt hast. Du sagtest, du würdest entweder mit mir groß werden oder mit mir untergehen. Heute verstehe ich, wie du das gemeint hast. Ich könnte dich verlassen und..."
"Verlassen?", fragte er, wobei sein Gesicht blass wurde. "Bist du denn nicht zufrieden?"
"Ich weiß nicht", sagte sie. "Oft habe ich das Gefühl, dass mir etwas fehlt, dass man mich nicht ernst nimmt."
"Das ist Unsinn, Evita", erklärte Alexandro. "Ich nehme dich sogar sehr ernst. Es ist alles anders, als du denkst, und ich möchte es dir gerne sagen. Aber es ist nicht leicht für mich. Du bist so
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