Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion
Exemplare verkauft – der erste Gedichtband seit vier Jahrhunderten, der den Sprung in die Bestsellerlisten geschafft hatte –, und ich war mehrfacher Millionär.
Tyrena Wingreen-Feif war meine erste Lektorin bei Transline. Es war ihre Idee, das Buch Die sterbende Erde zu nennen (eine Suche in den Aufzeichnungen ergab, daß fünfhundert Jahre vorher einmal ein Roman mit diesem Titel veröffentlicht worden war, aber das Copyright war erloschen und das Buch vergriffen). Es war ihre Idee gewesen, nur den Teil der Gesänge zu veröffentlichen, der sich mit den nostalgischen letzten Tagen der Alten Erde befaßte. Und es war ihre Idee gewesen, die Teile herauszulassen, die ihrer Meinung nach die Leser langweilen würden – philosophische Passagen, Beschreibungen meiner Mutter, die Teile, die früheren Dichtern Ehrerbietung zollten, die Stellen, wo ich mit experimenteller Lyrik kokettiert hatte, die persönlicheren Passagen –, kurz gesagt, alles außer den Beschreibungen der idyllischen letzten Tage, die ohne die schwergewichtigeren Passagen sentimental und geistlos waren. Vier Monate nach Veröffentlichung waren von Die sterbende Erde zweieinhalb Milliarden Hardfaxkopien verkauft worden, eine gekürzte und digitalisierte Fassung war über die Datensphäre des Seh-Dings verfügbar und eine Option für die Holies war verkauft worden. Tyrena wies darauf hin, daß der Zeitpunkt perfekt gewesen war ... daß der anfängliche traumatische Schock angesichts des Untergangs der Alten Erde ein Jahrhundert des Verdrängens zur Folge gehabt hatte, als hätte die Erde nie existiert, gefolgt von einer Periode neuerwachten Interesses, dessen Gipfelpunkt die nostalgischen Kulte um die Alte Erde waren, die man heutzutage auf jeder Welt im Netz finden konnte. Ein Buch – selbst ein Gedichtband –, das sich mit den letzten Tagen beschäftigte, hatte genau den richtigen Zeitpunkt getroffen.
Für mich waren die ersten Tage meines Lebens als Berühmtheit in der Hegemonie weitaus verwirrender als mein früherer Übergang vom verzogenen Sohn der Alten Erde zum versklavten Schlaganfallopfer auf Heaven's Gate. In den ersten Monaten signierte ich Bücher und Faxe auf über hundert Welten; ich trat in der Sendung ›Heute im All-Netz!‹ mit Marmon Hamlit auf; ich lernte Präsident Senister Perot und Drury Fein, den Sprecher des All-Wesens, ebenso kennen wie an die zwanzig Senatoren; ich sprach vor der Interplanetarischen Gesellschaft der PEN-Frauen und dem Schriftstellerverband von Lusus; man verlieh mir Ehrendoktortitel der Universitäten von New Earth und Cambridge Zwei; ich wurde eingeladen, interviewt, abgebildet, besprochen (lobend), biokopiert (unautorisiert), bestaunt, periodisiert und betrogen. Es war eine hektische Zeit.
Notizen für eine Skizze des Lebens in der Hegemonie:
Mein Zuhause hat achtunddreißig Zimmer auf sechsunddreißig Welten. Keine Türen: Die bogenförmigen Eingänge sind Farcasterportale, einige sind mit milchigen Vorhängen versehen, aber die meisten für Zutritt und Beobachtung offen. Jeder Raum hat überall Fenster und mindestens zwei Wände mit Portalen. Aus dem großen Speisesaal auf Renaissance Vector kann ich den Bronzehimmel und die grünspanigen Türme von Keep Enable im Tal unter meinem vulkanischen Gipfel sehen, und wenn ich den Kopf drehe, kann ich durch das Farcasterportal und über den weißen Teppichboden im Wohnbereich blicken und das Edgar Allan Meer sehen, das gegen die Türme von Point Prospero auf Nevermore brandet. Meine Bibliothek hat Ausblick auf die Gletscher und grünen Himmel von Nordholm; ein Spaziergang von zehn Schritten ermöglicht mir, in mein Turmzimmer hinunter zu gehen, ein gemütliches offenes Zimmer mit Wänden aus polarisiertem Glas, durch die man einen Rundblick von dreihundertsechzig Grad zu den höchsten Gipfeln des Kushpat Karakorum hat, einer Bergkette, die zweitausend Kilometer von der nächsten Siedlung entfernt in den östlichsten Ausläufern der Republik Jamnu auf Deneb Drei liegt.
Das riesige Schlafzimmer, das Helenda und ich teilen, wiegt sich sanft in den Ästen eines dreihundert Meter hohen Weltbaums auf der Tempelritterwelt Gottes Hain und ist mit einem Solarium verbunden, welches weit und breit allein in den leblosen Salzwüsten auf Hebron sitzt. Nicht jedes Panorama ist Wildnis: Das Medienzimmer öffnet sich zu einer Schwebeplattform im hundertachtunddreißigsten Stock eines Arkturms auf Tau Ceti Center, und unser Balkon befindet sich über dem
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