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Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Er klopfte auf den Schreibtisch. Exorzisten und Lehrmeister erschienen unter der Tür, ihre schwarzen Gewänder mit roten Verzierungen waren geheimnisvolle Spiegelbilder der des Bischofs. Die ganz in schwarz gekleideten Ostiarien verschmolzen mit den Schatten. »Die Audienz ist beendet«, sagte der Bischof nicht so laut, aber um so endgültiger. »Ihre Tochter ist vom Avatar auserwählt worden, in einer Weise zu büßen, wie alle Sünder und Ungläubige dereinst büßen müssen. Schon sehr bald.«
    »Eure Exzellenz, wenn Ihr mir noch fünf Minuten Eurer kostbaren Zeit schenken würdet ...«
    Der Bischof schnippte mit den Fingern, die Exorzisten traten vor und begleiteten Sol hinaus. Die Männer waren Lusianer. Einer wäre mit fünf Gelehrten von Sols Größe fertig geworden.
    »Eure Exzellenz ...«, schrie Sol, als er die Hände des ersten Mannes abgeschüttelt hatte. Die drei anderen Exorzisten kamen zu seiner Unterstützung, während die gleichermaßen vierschrötigen Lehrmeister sich bereithielten. Der Bischof hatte ihnen den Rücken zugekehrt und schien in die Dunkelheit zu blicken.
    Im äußeren Sanktuarium hallte Grunzen und das Schlurfen von Sols Füßen und ein lauter Aufschrei, als Sols Fuß Kontakt mit den unpriesterlichsten Teilen des Anführers der Exorzisten herstellte. Der Ausgang des Gerangels blieb davon unbeeinfußt. Sol landete auf der Straße. Der letzte Ostiarius, der sich abwandte, warf Sol seinen zerdrückten Hut nach.
     
    Zehn weitere Tage auf Lusus führten zu nichts, abgesehen von Erschöpfung aufgrund der höheren Schwerkraft. Die Tempelbürokraten beantworteten seine Fragen nicht. Die Gerichte boten ihm keine Handhabe. Die Exorzisten warteten hinter der Tür des Vestibüls auf ihn.
    Sol farcastete zur neuen Erde, nach Renaissance Vector, Fuji und TC 2 , nach Deneb Drei und Deneb Vier, aber überall blieben die Tempel des Shrike für ihn verschlossen.
    Erschöpft, frustriert und ohne Geld 'castete Sol nach Barnards Welt zurück, holte das EMV vom Standplatz ab und traf eine Stunde vor Rachels Geburtstag zu Hause ein.
    »Hast du mir etwas mitgebracht, Daddy?« fragte die aufgeregte Zehnjährige. Sarai hatte ihr an diesem Tag gesagt, daß Sol weg gewesen war.
    Sol holte ein eingewickeltes Päckchen hervor. Es war die vollständige Serie Anne auf Green Gables. Nicht das, was er ihr hatte mitbringen wollen.
    »Kann ich es aufmachen?«
    »Später, Kleines. Mit den anderen Geschenken.«
    »O bitte, Dad. Nur das eine. Bevor Niki und die anderen Kinder hier sind?«
    Sol sah Sarai in die Augen. Diese schüttelte den Kopf. Rachel erinnerte sich, daß sie Niki und Linna und ihre anderen Freunde vor ein paar Tagen zu der Party eingeladen hatte. Sarah war noch keine Entschuldigung eingefallen.
    »Na gut, Rachel«, sagte er. »Nur das eine vor der Party.«
    Während Rachel das kleine Päckchen aufriß, sah Sol das riesige Päckchen mit dem roten Band im Wohnzimmer. Das neue Fahrrad. Rachel hatte sich ein ganzes Jahr vor ihrem zehnten Geburtstag ein Fahrrad gewünscht. Sol fragte sich erschöpft, ob sie morgen staunen würde, daß das neue Fahrrad einen Tag vor ihrem zehnten Geburtstag da war. Oder vielleicht würden sie das Fahrrad in der Nacht wegschaffen, während Rachel schlief.
    Sol ließ sich auf das Sofa fallen. Das rote Band erinnerte ihn an die Robe des Bischofs.
     
    Sarai war es nie leicht gefallen, die Vergangenheit zu vergessen. Jedesmal, wenn sie die Babywäsche zusammenlegte und wegpackte, aus der Rachel herausgewachsen war, hatte sie heimliche Tränen vergossen, von denen Sol irgendwie wußte. Sarai hatte jeden Abschnitt von Rachels Kindheit genossen, hatte das normale Alltagsleben geschätzt; eine Normalität, die sie still als das Beste im Leben akzeptierte. Sie war stets der Meinung gewesen, daß die Essenz menschlicher Erfahrung nicht primär in den Höhepunkten lag, den Hochzeitstagen und Triumphen, die wie rot im Kalender angestrichene Tage herausragten, sondern mehr im nebensächlichen Strom von Kleinigkeiten – dem Wochenendnachmittag, den jedes Familienmitglied auf seine Weise verbrachte, mit zufälligen und unwichtigen Begegnungen und unwichtigen Gesprächen – Stunden, deren Summe eine Synergie schuf, die wichtig und ewig war.
    Sol fand Sarai auf dem Dachboden, wo sie leise weinte, während sie in Kartons suchte. Es waren nicht die sanften Tränen, die sie einstmals am Ende kleiner Dinge vergossen hatte. Sarai Weintraub war wütend.
    »Was machst du da, Mutter?«
    »Rachel

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