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Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Stimme. Ich blinzelte – ein Zeitlupenblinzeln, während die Maske sich über meinen Augen neu justierte – und erblickte Siri zwanzig Meter unter mir, wo sie eine Kielwurzel packte und mühelos über den kälteren, tieferen Strömungen trieb, wo das Licht nicht hingelangte. Ich dachte an die Tausende Meter Wasser unter mir, an die Wesen, die da unten lauern mochten, unbekannt, von den menschlichen Kolonisten nicht erforscht. Ich dachte an die Dunkelheit und die Tiefe, und mein Hodensack zog sich unwillkürlich zusammen.
    »Komm schon runter!« Siris Stimme war ein Insektensummen in meinen Ohren. Ich drehte mich und strampelte. Der Auftrieb hier war nicht so groß wie in den Meeren der Alten Erde, aber es kostete dennoch Energie, so tief zu tauchen. Die Maske kompensierte Tiefe und Stickstoff, aber ich konnte den Druck auf Haut und Ohren spüren. Schließlich hörte ich auf zu strampeln, packte eine Kielwurzel und zog mich ungelenk zu Siri hinunter.
    Wir trieben nebeneinander im trüben Licht. Hier war Siri eine geisterhafte Erscheinung, ihr langes Haar bildete eine weinrote Aura, die blassen Streifen auf ihrem Körper glommen im blaugrünen Licht. Die Oberfläche schien unvorstellbar weit entfernt zu sein. Das breite V des Kielwassers und die schwebenden Ranken zeigten, daß die Insel sich jetzt schneller bewegte und instinktiv zu anderen Nahrungsgründen, ferneren Gewässern trieb.
    »Wo sind die ...«, subvokalisierte ich.
    »Pssst«, sagte Siri. Sie machte sich an dem Medaillon zu schaffen. Da konnte ich sie hören: Quietschen, Kreischen, Pfeifen und Katzenschnurren und hallende Rufe. Die Tiefe war mit einem Mal von seltsamer Musik erfüllt.
    »Himmel«, sagte ich, und weil Siri unsere Komfäden mit dem Translator verbunden hatte, wurde das Wort als sinnloses Pfeifen und Tuten übermittelt.
    »Hallo!« rief sie, und der übersetzte Gruß hallte aus dem Transmitter; ein schriller Vogelruf, der in den Ultraschallbereich überging. »Hallo!« rief sie wieder.
    Minuten vergingen, bis die Delphine nachsehen kamen. Sie schwammen an uns vorbei, überraschend groß, erschreckend groß, und ihre Haut sah im trügerischen Licht glatt und muskulös aus. Ein besonders großer trieb einen Meter an uns vorbei und bog im letzten Augenblick ab, so daß sein weißer Bauch sich an uns vorbeibewegte wie eine Wand. Ich sah, wie die dunklen Augen schwenkten und mir folgten, als er vorüberzog. Ein Schlag der breiten Schwanzflosse erzeugte eine Turbulenz, die kräftig genug war, mich von der Stärke des Tiers zu überzeugen.
    »Hallo«, rief Siri, aber die anmutige Gestalt verschwand im fernen Dunst, und plötzlich herrschte Schweigen. Siri schaltete den Translator ab. »Möchtest du mit ihnen reden?« fragte sie.
    »Gewiß.« Ich hatte meine Zweifel. Nach mehr als drei Jahrhunderten der Anstrengung war es kaum zu einer nennenswerten Kommunikation zwischen Mensch und Meeressäugetier gekommen. Mike hatte mir einmal gesagt, die Gedankenstrukturen der beiden Waisengruppen von der Alten Erde wären zu verschieden, die Gemeinsamkeiten zu gering. Ein Prä-Hegira-Experte hatte einmal geschrieben, mit einem Delphin oder Tümmler zu reden wäre so erfolgversprechend wie eine Unterhaltung mit einem ein Jahr alten Menschenbaby. Normalerweise hatten beide Seiten Spaß an der Unterhaltung, und es kam zu einem Abklatsch von Konversation, aber keiner der Beteiligten war hinterher wesentlich klüger. Siri schaltete die Translatordisc wieder ein. »Hallo«, sagte ich.
    Es folgte eine letzte Minute des Schweigens, dann summten unsere Ohrstöpsel, während schrilles Trillern durch das Meer hallte.
    entfernung/schwanzflossenlose/hallo-ton?/Strömung/puls/umkreisen mich/komisch?
    »Verdammt, was?« fragte ich Siri, worauf der Translator meine Frage hinausträllerte. Siri grinste unter der Osmosemaske.
    Ich versuchte es noch einmal. »Hallo! Grüße von ... äh ... der Oberfläche. Wie geht es euch?«
    Das große Männchen ... ich nahm an, daß es ein Männchen war ... raste auf uns zu wie ein Torpedo. Er trieb sich mit der Schwanzflosse zehnmal schneller durch das Wasser, als ich es gekonnt hätte, selbst wenn ich daran gedacht hätte, an diesem Morgen Flossen anzuziehen. Einen Augenblick lang dachte ich, er würde uns rammen, zog die Knie hoch und klammerte mich an der Kielwurzel fest. Dann war er an uns vorbei und stieg hoch, um Luft zu holen, während Siri und ich nach seinem schrillen Ruf in seinem aufgewühlten Kielwasser

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