Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion
Wärme, die die Zunge verbrühte. Ich übernahm das Steuer, als Siri nach unten ging, um die Tassen nachzufüllen. Der graue Tag ging fast unmerklich in die Nacht über.
»Merin«, sagte sie, nachdem sie mir meine Tasse gegeben und auf der langen gepolsterten Bank Platz genommen hatte, die rings um die Brücke verlief, »was wird geschehen, wenn sie den Farcaster öffnen?«
Die Frage überraschte mich. Wir hatten uns fast nie über den Zeitpunkt unterhalten, wenn Maui-Covenant in die Hegemonie aufgenommen werden würde. Ich sah Siri an und stellte betroffen fest, wie alt sie plötzlich wirkte. Ihr Gesicht war ein Mosaik aus Furchen und Schatten. Die wunderschönen grünen Augen waren in tiefe Höhlen gesunken, die Wangenknochen waren Messerklingen unter brüchigem Pergament. Sie hatte das graue Haar kurz geschnitten, nun stand es als nasse Dornen vom Kopf ab. Ihr Hals und die Handgelenke waren knotige Kordeln, die aus einem unförmigen Pullover ragten.
»Was meinst du damit?« fragte ich.
»Was wird passieren, wenn sie den Farcaster öffnen?«
»Du weißt, was der Rat sagt, Siri.« Ich sprach laut, weil sie auf einem Ohr schwerhörig war. »Es wird eine neue Ära des Handels und der Technologie für Maui-Covenant eröffnen. Und du wirst nicht mehr an eine einzige kleine Welt gefesselt sein. Wenn ihr zu Bürgern der Hegemonie werdet, können alle die Farcastertore benützen.«
»Ja«, sagte Siri. Ihre Stimme war müde. »Das habe ich alles gehört, Merin. Aber was wird passieren? Wer wird als erster zu uns kommen?«
Ich zuckte die Achseln. »Noch mehr Diplomaten, nehme ich an. Spezialisten für kulturellen Kontakt. Anthropologen. Ethnologen. Meeresbiologen.«
»Und dann?«
Ich machte eine Pause. Draußen war es dunkel. Das Meer war fast ruhig. Unsere Positionslichter leuchteten rot und grün in die Nacht. Ich spürte dieselbe Angst wie vor zwei Tagen, als ich die Sturmfront am Horizont hatte auftauchen sehen. Ich sagte: »Dann werden die Missionare kommen. Die Erdölgeologen. Die Meeresfarmer. Die Planer.«
Siri trank ihren Kaffee. »Ich habe gedacht, deine Hegemonie hätte die Erdölökonomie längst hinter sich gelassen.«
Ich lachte und rastete das Steuer ein. »Niemand läßt eine Erdölökonomie hinter sich. Nicht so lange es Erdöl gibt. Wir verbrennen es aber nicht, wenn du das meinst. Aber zur Herstellung von Plastik, Synthetiks, Lebensmitteln und Keroiden ist es immer noch unerläßlich. Zweihundert Milliarden Menschen verbrauchen eine Menge Plastik.«
»Und Maui-Covenant besitzt Öl?«
»O ja«, sagte ich. Ich hatte kein Lachen mehr in mir. »Allein unter den äquatorialen Untiefen liegen Milliarden Barrel.«
»Wie werden sie es holen, Merin? Bohrinseln?«
»Ja. Bohrinseln. Unterseeboote. Unterseeische Kolonien mit modifizierten Arbeitern von Mare Infinitus.«
»Und die wandernden Inseln?« fragte Siri. »Sie müssen jedes Jahr zu den Untiefen zurückkehren, um sich von dem Blaukelp zu ernähren und sich zu vermehren. Was wird aus den Inseln?«
Ich zuckte wieder die Achseln. Ich hatte zuviel Kaffee getrunken und einen bitteren Geschmack im Mund. »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Sie haben den Mannschaftsdienstgraden nicht besonders viel erzählt. Aber bei unserem ersten Ausflug hat Mike gehört, daß sie vorhaben, so viele Inseln wie möglich zu erschließen, daher werden einige geschützt werden.«
»Erschließen?« Siri ließ zum ersten Mal Überraschung erkennen. »Wie können sie die Inseln erschließen? Selbst die Ersten Familien müssen die Erlaubnis des Meeresvolks einholen, damit wir unsere Baumhäuser dort auch bauen dürfen.«
Ich lächelte, als Siri den hiesigen Ausdruck für die Delphine benützte. Die Kolonisten von Maui-Covenant waren wie kleine Kinder, wenn es um ihre verdammten Delphine ging. »Die Pläne sind längst festgelegt«, sagte ich. »Es gibt 128573 schwimmende Inseln, die groß genug sind, daß man ein Gebäude darauf unterbringen kann. Die sind schon lange vermietet. Ich nehme an, die kleineren Inseln wird man beseitigen. Die Heimatinseln wird man zu Erholungszwecken umbauen.«
»Erholungszwecken«, wiederholte Siri. »Wie viele Menschen aus der Hegemonie werden den Farcaster benützen und hierher kommen ... zur Erholung?«
»Du meinst anfangs?« fragte ich. »Im ersten Jahr nur ein paar tausend. So lange sich das einzige Tor auf Insel 241 befindet – dem Handelszentrum – werden es nicht so viele sein. Im zweiten Jahr, wenn Firstsite sein Tor bekommt,
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