Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
angeschlossen, eine Antiquität mit einem soliden Innern und einem Flüssigkristalldiskey. Die Ladeanzeige leuchtet grün.
    Es sind noch zwei Gegenstände in dem Kästchen. Einer ist das Translatormedaillon, das wir vor so langer Zeit benützt haben. Als ich den letzten Gegenstand sehe, stöhne ich buchstäblich vor Überraschung.
    »Du kleines Flittchen«, sage ich. Alles fügt sich zusammen. Ich kann ein Lächeln nicht unterdrücken. »Du liebes, ränkeschmiedendes kleines Flittchen.«
    Sorgfältig zusammengerollt, die Schnur säuberlich verknotet, liegt die Schwebematte da, die Mike Osho für dreißig Mark auf dem Markt von Carvnel gekauft hat. Ich lasse die Schwebematte dort, löse das Komlog und hole es heraus. Ich setze mich mit überkreuzten Beinen auf den kalten Steinboden und drücke den Diskey mit dem Daumen. Das Licht in der Gruft erlischt, und plötzlich steht Siri vor mir.
    Sie warfen mich nicht vom Schiff, als Mike gestorben war. Sie hätten es tun können, aber sie taten es nicht. Sie überließen mich nicht der Gnade der Provinzgerichtsbarkeit von Maui-Covenant. Sie hätten es tun können, aber sie beschlossen, es nicht zu tun. Zwei Tage wurde ich festgehalten und verhört, einmal vom Schiffsmeister Singh persönlich. Dann ließen sie mich wieder Dienst tun. Die vier Monate des langen Sprungs zurück quälte ich mich mit Erinnerungen an Mikes Ermordung. Ich wußte, auf meine linkische Art hatte ich mitgeholfen, ihn zu ermorden. Ich leistete meine Schichten ab, träumte meine verschwitzten Alpträume und fragte mich, ob sie mich entlassen würden, wenn wir das Netz erreichten. Sie hätten es mir sagen können, aber sie beschlossen, es nicht zu tun.
    Sie entließen mich nicht. Ich bekam meinen normalen Urlaub im Netz, durfte aber keinen Bodenurlaub vom Schiff nehmen, so lange wir im System Maui-Covenant waren. Zusätzlich bekam ich eine schriftliche Verwarnung und wurde vorübergehend einen Dienstgrad degradiert. Soviel war Mikes Leben wert gewesen – einen Verweis und eine Degradierung.
    Ich machte drei Wochen Urlaub mit dem Rest der Besatzung, aber anders als die anderen, hatte ich nicht die Absicht, wieder zurückzukehren. Ich farcastete nach Esperance und machte den klassischen Schiffsmannfehler, meine Familie zu besuchen. Zwei Tage in der engen Wohnkuppel genügten mir, danach ging ich nach Lusus und hurte drei Tage lang in der Rue des Chats herum. Als meine Stimmung düsterer wurde, 'castete ich nach Fuji und verlor den größten Teil meines Geldes, indem ich bei den dortigen blutigen Samuraikämpfen wettete.
    Schließlich farcastete ich ins Heimatsystem und machte die zweitägige Shuttlepilgerfahrt nach Hellas Basin mit. Ich war noch nie im Heimatsystem oder auf dem Mars gewesen, und ich habe auch nicht die Absicht, jemals dorthin zurückzukehren, aber die zehn Tage, die ich dort verbrachte und allein durch die staubigen, unheimlichen Gänge des Klosters wanderte, bewogen mich, zum Schiff zurückzukehren. Zurück zu Siri.
    Manchmal verließ ich den Irrgarten aus rotem Gestein des Megalithen, stand lediglich in Hautanzug und Maske auf einem der zahllosen Balkons und sah himmelwärts zu dem hellgrauen Stern, der einmal die Alte Erde gewesen war. Da dachte ich manchmal an die tapferen und dummen Idealisten, die mit ihren langsamen und leckenden Schiffen ins große Dunkel aufbrachen und mit Sorgfalt und Hingabe ihre Embryos und Ideologien mit sich nahmen. Aber meistens versuchte ich, gar nicht zu denken. Meistens stand ich nur in der purpurnen Nacht und ließ Siri zu mir kommen. Dort im Urgestein, wo so viele verdiente Pilger vergebens nach der vollkommenen Ausgeglichenheit gesucht hatten, erreichte ich sie, indem ich an den Körper einer noch nicht ganz sechzehnjährigen Kindfrau dachte, die neben mir lag, während Mondlicht auf den Schwingen eines Thomasfalken schimmerte.
    Als die Los Angeles den nächsten Sprung machte, war ich an Bord. Vier Monate später absolvierte ich zufrieden meine Schichten mit dem Bauteam, klinkte mich in die üblichen Stims ein und schlief in meinen Urlaubsphasen. Dann kam Singh zu mir. »Sie fliegen runter«, sagte er. Ich verstand es nicht. »In den letzten elf Jahren haben die Gründlinge aus Ihrem Schlamassel mit Osho eine gottverdammte Legende gemacht«, sagte Singh. »Um die Tatsache, daß Sie sich mit diesem kleinen Kolonistenmädchen im Heu gewälzt haben, hat sich ein ganzer kultureller Mythos gebildet.«
    »Siri«, sagte ich.
    »Holen Sie Ihre Ausrüstung«,

Weitere Kostenlose Bücher