Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion
So echt wie ein Teil der Dateiebenenmatrix nur sein kann. Wir befinden uns am Rand der Megasphäre im Raum um Hyperion. Seine Stimme enthielt immer noch diesen kaum faßbaren Akzent, den sie so reizend und gleichzeitig so nervtötend fand.
– Was ist passiert? Mit diesen Worten vermittelte sie ihm Bilder vom Auftauchen des Shrike, vom plötzlichen und schrecklichen Eindringen des Stachels.
Ja, dachte Johnny und hielt sie fester an sich. Irgend wie hat es mich aus der Schrön-Schleife befreit und uns beide direkt in die Datensphäre katapultiert.
– Bin ich tot, Johnny?
Das Gesicht von Johnny Keats lächelte auf sie herab. Er schüttelte unmerklich den Kopf, küßte sie sanft und drehte sich, so daß sie beide das Schauspiel über und unter sich bewundern konnten. Nein, du bist nicht tot, Brawne, aber es könnte sein, daß du mit einem bizarren Lebenserhaltungssystem verbunden bist, während dein Dateiebenenanalogon sich hier bei mir aufhält.
– Bist du tot?
Er grinste sie wieder an. Nicht mehr, obwohl das Leben in einer Schrön-Schleife auch nicht so ist, wie man sagt. Es war, als hätte ich die Träume von jemand anderem geträumt
– Ich habe von dir geträumt.
Johnny nickte. Ich glaube nicht, daß ich das war. Ich habe dieselben Träume gehabt ... Unterredungen mit Meina Gladstone, Impressionen von Regierungssitzungen der Hegemonie
– Ja!
Er drückte ihre Hand. Ich vermute, sie haben einen anderen Keats-Cybrid reaktiviert. Irgendwie können wir über die vielen Lichtjahre hinweg miteinander in Verbindung treten.
– Noch einen Cybrid? Wie das? Du hast das Core-Templat vernichtet, die Persönlichkeit befreit ...
Ihr Geliebter zuckte die Achseln. Er trug ein Rüschenhemd und einen Gehrock aus Seide, wie sie ihn noch nie gesehen hatte. Die Datenströme auf den Straßen über ihnen tauchte beide in pulsierendes Neonlicht, während sie schwebten. Ich habe mir schon gedacht, daß es mehr Reserven geben muß, als BB und ich bei dem kurzen Vorstoß in die Peripherie des Core aufspüren konnten. Einerlei, Brawne. Wenn es noch eine Kopie gibt, dann wäre er ich, und ich kann mir nicht vorstellen, daß er ein Feind wäre. Komm schon, gehen wir auf Entdeckungsreise.
Lamia zauderte für einen Moment, als er sie nach oben ziehen wollte. Was wollen wir denn entdecken?
– Dies ist unsere Chance, endlich herauszufinden, was hier vor sich geht, Brawne. Eine Chance, jeder Menge Geheimnissen auf den Grund zu gehen.
Sie hörte eine ungewohnte Schüchternheit in ihrer Stimme/ihren Gedanken. Ich bin nicht sicher, ob ich das will, Johnny.
Er drehte sich um und sah sie an. Ist das die Detektivin, die ich kennengelernt habe? Was ist aus der Frau geworden, die keine Geheimnisse haben konnte?
– Die hat schwere Zeiten hinter sich, Johnny. Ich habe nachgedacht und festgestellt, daß mein Entschluß, Detektivin zu werden, zum größten Teil auf den Selbstmord meines Vaters zurückzuführen ist. Ich versuche immer noch das Geheimnis seines Todes aufzuklären. Derweil sind im wirklichen Leben eine Menge Leute verletzt worden. Einschließlich dir selbst, Liebster.
– Und hast du es aufgeklärt?
– Was?
– Das Geheimnis um den Tod deines Vaters?
Lamia sah ihn stirnrunzelnd an. Ich weiß nicht. Ich glaube nicht.
Johnny deutete zu der flüssigen Masse der Datensphäre, die um sie herum wogte. Dort oben warten eine Menge Antworten, Brawne. Wenn wir den Mut haben, nach ihnen zu suchen.
Sie nahm wieder seine Hand. Wir könnten dort sterben.
– Ja.
Lamia zauderte und blickte in Richtung Hyperion. Die Welt bestand aus einer dunklen Krümmung mit wenigen isolierten Datenflußinseln, die wie Lagerfeuer in der Nacht leuchteten. Der große Ozean über ihnen gischtete und pulsierte im Licht und Lärm der Datenübermittlungen – und Lamia wußte, daß es sich nur um eine winzige Ausdehnung der Megasphäre dahinter handelte. Sie wußte – sie spürte –, daß ihre wiedergeborenen Dateiebenenanaloge Orte besuchen konnten, von denen kein Cyberpuke-Cowboy auch nur zu träumen gewagt hätte.
Brawne wußte, mit Johnny als Führer waren ihr Tiefen von Megasphäre und TechnoCore zugänglich, in die noch kein Mensch vorgedrungen war. Und sie hatte Angst.
Aber sie war endlich bei Peter Pan. Und Nimmerland lockte.
– Na gut, Johnny. Worauf warten wir noch? Gemeinsam stiegen sie der Megasphäre entgegen.
27
Oberst Fedmahn Kassad folgte Moneta durch das Portal und befand sich auf einer weiten lunaren Ebene, wo ein
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