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Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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dem haben wir dies hier. Menschliche Narretei am Himmel und einen schrecklichen Antichrist, der darauf wartet, den Rest zu erben.«
    »Sie glauben, daß das Shrike der Antichrist ist?«
    Pater Duré legte die Ellbogen auf die angezogenen Knie und faltete die Hände. »Wenn nicht, stecken wir alle in ernsten Schwierigkeiten.« Er lachte verbittert. »Es ist noch nicht lange her, da wäre ich begeistert gewesen, einen Antichrist zu entdecken ... sogar die Präsenz einer antigöttlichen Macht hätte ausgereicht, meinen schwindenden Glauben an jedwede Form einer Gottheit zu stützen.«
    »Und jetzt?« fragte Sol leise.
    Duré spreizte die Finger. »Bin auch ich gekreuzigt worden.«
    Sol dachte an die Bilder aus Lenar Hoyts Geschichte von Duré; wie sich der alte Jesuit selbst an den Teslabaum genagelt und jahrelang Qual und Wiedergeburt erduldet hatte, statt sich dem DNS-Parasiten der Kruziform zu ergeben, der noch jetzt unter der Haut seiner Brust lag.
    Duré wandte das Gesicht vom Himmel ab. »Keine Begrüßung durch einen himmlischen Vater«, sagte er leise. »Keine Versicherung, daß sich Schmerz und Opfer gelohnt hätten. Nur Qual. Qual und Dunkelheit und dann wieder Qual.«
    Sols Hand verweilte still auf dem Rücken des Säuglings. »Und darum haben Sie Ihren Glauben verloren?«
    Duré sah Sol an. »Im Gegenteil, ich kam zur Überzeugung, daß Glaube noch wichtiger ist. Qual und Dunkelheit sind unser Los seit dem Sündenfall der Menschheit. Aber es muß eine Hoffnung geben, daß wir uns auf eine höhere Ebene entwickeln können ... daß das Bewußtsein sich auf eine Stufe entwickeln kann, die gütiger ist als ein von Gleichgültigkeit erfülltes Universum.«
    Sol nickte langsam. »Während Rachels langem Kampf mit Merlins Krankheit hatte ich einen Traum ... meine Frau Sarai hatte denselben Traum ... daß ich aufgefordert wäre, meine einzige Tochter zu opfern.«
    »Ja«, sagte Duré. »Ich habe mir die Zusammenfassung des Konsuls auf Disc angehört.«
    »Dann kennen Sie meine Antwort«, sagte Sol. »Erstens, daß man Abrahams Pfad des Gehorsams nicht mehr folgen kann, auch wenn ein Gott diesen Gehorsam fordert. Zweitens, daß wir diesem Gott zu viele Generationen lang Opfer dargeboten haben ... daß die Vergeltung mit Schmerzen ein Ende haben muß.«
    »Und doch sind Sie hier«, sagte Duré und deutete ins Tal, zu den Gräbern, in die Nacht.
    »Ich bin hier«, stimmte Sol zu. »Aber nicht, um mich zu unterwerfen. Nur um zu sehen, welche Antwort diese Mächte auf meine Entscheidung haben.« Er streichelte seiner Tochter wieder den Rücken. »Rachel ist jetzt anderthalb Tage alt und wird mit jeder Sekunde jünger. Wenn das Shrike der Architekt dieser Grausamkeiten ist, dann möchte ich ihm gegenübertreten, selbst wenn es der Antichrist sein sollte. Wenn es einen Gott gibt und er das angerichtet hat, möchte ich ihm dieselbe Verachtung zeigen.«
    »Vielleicht haben wir alle so schon zuviel Verachtung gezeigt«, meinte Duré.
    Sol blickte auf, als ein Dutzend stecknadelkopfgroßer Lichter sich zu Schockwellen von Plasmaexplosionen weit draußen im All entfalteten. »Ich wünschte, wir verfügten über die Technik, Gott mit gleichen Mitteln zu bekämpfen«, sagte er mit leiser, gepreßter Stimme. »Es ihm auf seinem Grund und Boden zu zeigen. Alle der Menschheit zugefügten Ungerechtigkeiten heimzuzahlen. Ihm ermöglichen, seine anmaßende Arroganz sein zu lassen oder zur Hölle gepustet zu werden.«
    Pater Duré zog eine Braue hoch, dann lächelte er verhalten. »Ich verstehe den Zorn, den Sie empfinden.« Der Priester berührte sanft Rachels Kopf. »Versuchen wir vor Sonnenaufgang noch ein wenig zu schlafen, ja?«
    Sol nickte, legte sich neben sein Kind und zog die Decke bis zur Wange. Er hörte Duré etwas flüstern, das ein leises Gutenacht sein mochte, oder möglicherweise ein Gebet.
    Sol streichelte seine Tochter, schloß die Augen und schlief ein.
     
    Das Shrike kam in dieser Nacht nicht. Auch am nächsten Morgen nicht, als Sonnenlicht die Felswände im Südwesten bemalte und die Spitze des Kristallmonolithen berührte. Sol erwachte, als der Sonnenschein das Tal hinabwanderte; Duré schlief neben ihm, Masteen und Brawne waren noch bewußtlos. Rachel regte sich und strampelte. Ihr Schreien war das eines hungrigen Neugeborenen. Sol fütterte ihr eines der letzten Babypacks, zog den Wärmstreifen und wartete einen Moment, bis die Milch Körpertemperatur hatte; über Nacht war es kalt im Tal geworden, Frost

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