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Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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funkelte auf den Stufen zur Sphinx.
    Rachel aß mit Heißhunger und gab die leisen Maunz- und Schmatzlaute von sich, die Sol schon vor fünfzig Jahren gehört hatte, als Sarai sie noch stillte. Als sie fertig war, ließ Sol sie aufstoßen und auf seiner linken Schulter ruhen, während er sie sanft hin und her wiegte.
    Noch anderthalb Tage.
    Sol war sehr müde. Er wurde trotz der einmaligen Poulsen-Behandlung vor einem Jahrzehnt alt. In dem Alter, als er und Sarai normalerweise von ihren elterlichen Pflichten entbunden sein sollten – ihr einziges Kind an der Universität und auf einer archäologischen Ausgrabung im Outback –, hatte Rachel Merlins Krankheit bekommen, und so hatten sie bald wieder die Elternrolle übernehmen müssen. Die Kurve dieser Verpflichtungen stieg an, je älter Sol und Sarai wurden – dann war Sol allein nach dem Unfall auf Barnards Welt –, und jetzt war er sehr, sehr müde. Aber dennoch, trotz allem, stellte er fest, daß er keinen einzigen Tag bereute, den er sich um seine Tochter gekümmert hatte.
    Noch anderthalb Tage.
    Pater Duré erwachte wenig später, worauf die beiden Männer aus den verschiedenen Dosen, die Brawne mitgebracht hatte, ein Frühstück zubereiteten. Het Masteen erwachte nicht, aber Duré legte ihm das vorletzte Medpack auf, und der Tempelritter erhielt Flüssigkeit und IV-Nährlösungen.
    »Glauben Sie, wir sollten das letzte Medpack M. Lamia geben?« fragte Duré.
    Sol seufzte und überprüfte nochmals ihre Komlogmonitore. »Ich glaube nicht, Paul. Laut der Anzeige hier ist der Blutzucker hoch ... Ernährungswerte so, als hätte sie gerade eine anständige Mahlzeit gegessen.«
    »Aber wie?«
    Sol schüttelte den Kopf. »Vielleicht ist das verdammte Ding eine Art Nabelschnur.« Er deutete auf das Kabel, das an der Stelle mit ihrem Kopf verschmolz, wo der Kortikalstecker gewesen war.
    »Und was machen wir heute?«
    Sol sah zum Himmel, der bereits zu der grünen und lapislazulifarbenen Kuppel verblaßte, an die sie sich auf Hyperion gewöhnt hatten. »Wir warten«, sagte er.
     
    Het Masteen erwachte, kurz bevor die Sonne den Zenit erreichte. Der Tempelritter richtete sich starr auf und sagte: »Der Baum!«
    Duré, der unten auf und ab gegangen war, eilte die Stufen hinauf. Sol nahm Rachel, die im Schatten neben der Mauer gelegen hatte, und kam an Masteens Seite. Die Augen des Tempelritters waren auf etwas über den Felswänden gerichtet. Sol sah auf, erblickte aber nur den fahlen Himmel.
    »Der Baum!« rief der Tempelritter wieder und hob eine aufgeschürfte Hand.
    Duré hielt den Mann fest. »Er hat Halluzinationen. Er glaubt, er sieht die Yggdrasil, sein Baumschiff.«
    Het Masteen kämpfte gegen Durés Griff. »Nein, nicht die Yggdrasil«, keuchte er mit trockenen Lippen, »der Baum. Der Letzte Baum. Der Baum der Schmerzen!«
    Beide Männer blickten auf, aber der Himmel war leer, abgesehen von ein paar Wölkchen, die im Südwesten vorbeizogen. In diesem Augenblick kam eine Flutwelle der Zeitgezeiten, worauf Sol und der Priester, von plötzlichem Schwindelgefühl erfaßt, die Köpfe senkten. Es ging vorbei.
    Het Masteen versuchte aufzustehen. Die Augen des Tempelritters waren immer noch auf etwas weit Entferntes gerichtet. Seine Haut war so heiß, daß sie Sol fast die Hände verbrannte.
    »Holen Sie das letzte Medpack«, sagte Sol. »Programmieren Sie Ultramorphin und das Antifieberagens.« Duré gehorchte hastig.
    »Der Baum der Schmerzen!« brachte Het Masteen heraus. »Ich sollte seine Stimme werden! Der Erg soll ihn durch Raum und Zeit befördern! Der Bischof und die Stimme des Großen Baums haben mich auserkoren! Ich darf sie nicht im Stich lassen.« Er wehrte sich noch einen Moment gegen Sols Arme, dann sank er wieder auf die Steinterrasse. »Ich bin der Wahre Auserwählte«, flüsterte er, während die Energie aus ihm wich wie Luft aus einem aufgerissenen Ballon. »Ich muß den Baum der Schmerzen während der Zeit der Buße leiten.« Er schloß die Augen.
    Duré legte das letzte Medpack auf, vergewisserte sich, daß der Monitor auf die Eigenheiten Metabolismus und Körperchemie eingestellt war, dann löste er Adrenalin und Schmerzstiller aus. Sol kauerte über der Gestalt in der Robe.
    »Das ist weder Tempelritterterminologie noch Theologie«, sagte Duré. »Er benützt die Sprache des Shrike-Kults.« Der Priester sah Sol in die Augen. »Das erklärt das Geheimnis teilweise ... besonders nach Brawnes Geschichte. Aus irgendeinem Grund haben die Tempelritter

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