Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
fragt sie.
    Silenus funkelt sie erbost an. »Könnte es schaden, einen Drink zu haben?«
    »Nein«, sagt der Konsul. Er reibt sich die Augen, und Lamia fällt ein, dass auch er alkoholabhängig ist. Aber seine Antwort auf die Frage, ob er das Schiff herbeordert, war nein. »Wir warten, bis es nicht mehr anders geht.«
    »Was ist mit dem Fatlinesender?«, sagt Kassad.
    Der Konsul nickt und holt das uralte Komlog aus dem Rucksack.
Das Instrument hat seiner Großmutter Siri gehört und vorher deren Großeltern. Der Konsul berührt den Diskey. »Ich kann hiermit senden, aber nicht empfangen.«
    Sol Weintraub hat sein schlafendes Kind in die Öffnung des nächsten Zelts gelegt. Jetzt dreht er sich zum Feuer um. »Und Sie haben zum letzten Mal eine Nachricht übermittelt, als wir im Keep angekommen sind?«
    »Ja.«
    Martin Silenus’ Tonfall ist sarkastisch. »Und das sollen wir glauben – einem geständigen Verräter?«
    »Ja.« Die Stimme des Konsuls ist ein Destillat tiefster Erschöpfung.
    Kassads schmales Gesicht schwebt in der Dunkelheit. Körper, Beine und Arme sind lediglich als Schwärze vor dem ohnehin schwarzen Hintergrund zu erkennen. »Aber es wird das Schiff rufen, falls wir es brauchen?«
    »Ja.«
    Pater Hoyt zieht den Mantel enger um sich, damit dieser nicht im zunehmenden Wind flattert. Sand prasselt auf Wollstoff und Zeltleinwand. »Haben Sie keine Angst, die Raumhafenbehörden oder FORCE könnten das Schiff entfernen oder sich daran zu schaffen machen?«, fragt er den Konsul.
    »Nein.« Der Konsul bewegt den Kopf nur unmerklich, als wäre er zu müde, ihn zu schütteln. »Unsere Befugnis kommt von Gladstone persönlich. Außerdem ist der Generalkonsul ein Freund von mir … war ein Freund.«
    Die anderen hatten den erst jüngst beförderten Gouverneur der Hegemonie kurz nach der Landung kennengelernt; Brawne Lamia hatte den Eindruck, als wäre Theo Lane in Ereignisse hineinkatapultiert worden, die seine Fähigkeiten übersteigen.
    »Es kommt Wind auf«, sagt Sol Weintraub. Er dreht den Körper so, dass er das Baby vor fliegendem Sand schützt. Der Gelehrte,
der in den Sand blinzelt, sagt: »Ich frage mich, ob Het Masteen da draußen ist.«
    »Wir haben überall gesucht«, sagt Pater Hoyt. Seine Stimme ist gedämpft, weil er den Kopf in die Falten des Mantels gesenkt hat.
    Martin Silenus lacht. »Bitte um Vergebung, Priester«, sagt er, »aber das ist schlichtweg Quatsch.« Der Dichter steht auf und geht zum Rand des Feuerscheins. Der Wind zerzaust seinen Pelzmantel und reißt seine Worte in die Nacht hinaus. »Die Felswände bieten tausend Verstecke. Der Kristallmonolith verbirgt seinen Eingang vor uns – aber vor einem Tempelritter? Und außerdem haben Sie die Treppe zum Labyrinth in der tiefsten Kammer des Jadegrabs gesehen.«
    Hoyt blickt auf und blinzelt unter den Nadelstichen feinen Sands. »Sie glauben, er ist dort? Im Labyrinth?«
    Silenus lacht und hebt die Arme. Der Seidenstoff seines weiten Hemdes wogt und bauscht sich. »Woher soll ich das wissen, Padre? Ich weiß nur, Het Masteen könnte im Augenblick da draußen sein, uns beobachten und darauf warten, dass er sein Gepäck zurückfordern kann.« Der Dichter nickt zu dem Möbiuskubus in der Mitte ihres kleinen Stapels Ausrüstung. »Oder er könnte schon tot sein. Oder Schlimmeres.«
    »Schlimmeres?«, fragt Hoyt. Das Gesicht des Priesters ist in den vergangenen Stunden gealtert. Seine Augen sind eingesunkene Spiegel der Qual, sein Lächeln ein Starrkrampf.
    Martin Silenus kommt zum erlöschenden Feuer zurück. »Schlimmeres«, sagt er. »Er könnte am Baum des Shrike zappeln. Wo wir in ein paar Stunden auch …«
    Brawne Lamia steht unvermittelt auf und packt den Dichter am Hemdkragen. Sie hebt ihn vom Boden hoch, schüttelt ihn und lässt ihn wieder herunter, bis sein Gesicht auf ihrer Höhe ist. »Noch einmal«, sagt sie leise, »und ich werde Ihnen auf jede erdenkliche Weise Schmerzen zufügen. Ich werde
Sie nicht töten, aber Sie werden sich wünschen, ich hätte es getan.«
    Der Dichter schenkt ihr ein Satyrlächeln. Lamia lässt ihn fallen und dreht ihm den Rücken zu. Kassad sagt: »Wir sind müde. Alles in die Kojen. Ich halte Wache.«
     
    Meine Träume von Lamia sind mit Lamias Träumen vermischt. Es ist nicht unangenehm, die Träume einer Frau, die Gedanken einer Frau zu teilen, und seien es die einer Frau, die durch einen Abgrund von Zeit und Kultur von mir getrennt ist, der schwerer wiegt, als es der Geschlechterunterschied

Weitere Kostenlose Bücher