Die Hyperion-Gesänge
dem teuersten Restaurant im ganzen Netz.
An alldem lag mir nicht das Geringste. Ich wollte nur eine ruhige kleine Bar finden.
In den Bars von TC 2 wimmelte es zu sehr von Bürokraten, feinen Pinkeln und Geschäftsleuten, daher betrat ich eines der Concourseshuttles und stieg auf der Hauptplattform von Sol Draconi Septem wieder aus. Die Schwerkraft störte viele – sie störte mich – , aber sie bedeutete auch, dass die Bars hier nicht so überfüllt und die Gäste tatsächlich nur zum Trinken hergekommen waren.
Ich entschied mich für eine Bar auf Erdgeschosshöhe, die fast völlig von Stützsäulen und Wartungskanälen der Haupteinkaufsplattform verborgen wurde, und im Innern dunkel war: dunkle Wände, dunkles Holz und dunkle Patrones, deren Haut fast so schwarz war wie meine weiß. Es war ein guter Platz zum Trinken, und das tat ich denn auch – ich fing mit einem doppelten Scotch an und machte dann im weiteren Verlauf richtig ernst.
Nicht einmal dort konnte ich Gladstone ganz entkommen. Am anderen Ende des Raums zeigte ein Flachbildschirm das Gesicht der Präsidentin vor einem blau-goldenen Hintergrund, den sie staatlichen Sendungen vorbehielten. Mehrere der anderen Gäste hatten sich versammelt und sahen zu. Ich bekam Bruchstücke der Rede mit: »… um die Sicherheit der Hegemoniebürger zu gewährleisten … darf nicht zugelassen werden, dass die Sicherheit des Netzes gefährdet wird, und unserer Verbündeter in … daher habe ich einen rückhaltlosen militärischen Gegenschlag autorisiert …«
»Stellt das verdammte Ding ab!« Zu meinem Erstaunen stellte ich fest, dass ich selbst das gebrüllt hatte. Die Patrones sahen über die Schulter, machten aber leiser. Ich sah einen Moment lang zu, wie sich Gladstones Mund bewegte, dann winkte ich dem Barkeeper und bestellte noch einen Doppelten.
Einige Zeit später – es hätten Stunden sein können – sah ich von meinem Drink auf und stellte fest, dass mir jemand in der dunklen Nische gegenübersaß. Ich brauchte im düsteren Licht blinzelnd einige Augenblicke, bis mir aufging, um wen es sich handelte. Für einen Moment schlug mein Herz schneller, und ich dachte: Fanny , aber dann blinzelte ich wieder und sagte: »Lady Philomel.«
Sie trug immer noch das dunkelblaue Kleid, in dem ich sie beim Frühstück gesehen hatte. Irgendwie schien es jetzt tiefer ausgeschnitten zu sein. Ihr Gesicht und die Schultern schienen
im Halbdunkel zu leuchten. »M. Severn«, sagte sie beinahe flüsternd. »Ich bin gekommen, um Ihr Versprechen einzulösen.«
»Versprechen?« Ich winkte dem Barkeeper, doch der reagierte nicht. Ich runzelte die Stirn und sah Diana Philomel an. »Welches Versprechen?«
»Selbstverständlich mich zu malen. Haben Sie Ihr Versprechen auf der Party vergessen?«
Ich schnippte mit den Fingern, aber der unverschämte Barkeeper ließ sich immer noch nicht herab, in meine Richtung zu sehen. »Ich habe Sie gemalt«, sagte ich.
»Ja«, entgegnete Lady Philomel, »aber nicht ganz .«
Ich trank seufzend den letzten Rest Scotch. »Ich trinke«, sagte ich.
Lady Philomel lächelte. »Nicht zu übersehen.«
Ich stand auf, um dem Barkeeper nachzulaufen, überlegte es mir anders und setzte mich langsam wieder auf das verwitterte Holz der Bank. »Armageddon«, sagte ich. »Sie spielen mit Armageddon.« Ich sah die Frau eingehend an und kniff etwas die Augen zusammen, damit sie deutlich wurde. »Kennen Sie dieses Wort, m’Lady?«
»Ich glaube nicht, dass er Ihnen noch Alkohol ausschenken wird«, sagte sie. »Ich habe Drinks bei mir zu Hause. Sie könnten was haben, während Sie mich malen.«
Ich blinzelte noch einmal, dieses Mal listig. Ich hatte vielleicht ein paar zu viel getrunken, aber die hatten meinen gesunden Menschenverstand nicht beeinträchtigt. »Ehemann«, sagte ich.
Diana Philomel lächelte wieder – und wieder strahlend. »Verbringt einige Tage im Regierungshaus«, sagte sie und flüsterte jetzt wirklich. »In so wichtigen Zeiten kann er es sich nicht leisten, weit vom Zentrum der Macht entfernt zu sein. Kommen Sie, mein Wagen wartet draußen.«
Ich kann mich nicht erinnern, dass ich bezahlt habe, gehe aber davon aus. Oder Lady Philomel hat es getan. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass sie mir nach draußen geholfen hat, gehe aber davon aus, dass es jemand getan haben muss. Möglicherweise ein Chauffeur. Ich kann mich an einen Mann in grauer Tunika und ebensolcher Hose erinnern und weiß noch, dass ich mich an ihn gelehnt
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