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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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habe.
    Das EMV verfügte über einen Kuppelaufbau, der von außen polarisiert war, aber von innen, wo wir auf Plüschkissen saßen, durchsichtig. Ich zählte ein, zwei Portale, und dann hatten wir den Concourse hinter uns gelassen und stiegen über blauen Feldern unter einem gelben Himmel höher. Geräumige Villen aus einem ebenholzähnlichen Material standen auf Hügeln inmitten von Mohnfeldern und bronzefarbenen Seen. Renaissance Vector? Dieses Rätsel war momentan zu schwierig, daher gab ich es auf, legte den Kopf an die Kuppel und beschloss, ein paar Augenblicke auszuruhen. Musste ausgeruht sein für Lady Philomels Porträt … he, he.
    Die Landschaft zog unter uns dahin.
    5
    Oberst Fedmahn Kassad folgt Brawne Lamia und Pater Hoyt durch den Staubsturm zum Jadegrab. Er hat Lamia angelogen; sein Nachtvisier und die Sensoren funktionieren ausgezeichnet trotz der elektrischen Entladungen, die um sie herum flackern. Den beiden zu folgen schien ihm die beste Möglichkeit zu sein, zum Shrike zu gelangen; Kassad erinnerte sich an die Felslöwenjagd auf Hebron: Man band eine Ziege fest und wartete.
    Daten der Sensoren, die er um das Lager herum aufgestellt hat, flackern auf Kassads taktischem Display und flüstern
durch sein Implantat. Es ist ein kalkuliertes Risiko, Weintraub und dessen Tochter, Martin Silenus und den Konsul schlafend zurückzulassen – und ungeschützt, abgesehen von automatischen Anlagen und einem Alarm. Aber Kassad hat ernste Zweifel, ob er das Shrike im Zweifelsfall aufhalten könnte. Sie sind alle festgebundene Ziegen, die warten. Kassad ist entschlossen, die Frau zu finden, das Phantom namens Moneta, bevor er stirbt.
    Der Wind hat ständig zugenommen, jetzt heult er um Kassad herum, reduziert die normale Sicht auf null und bombardiert den Schutzpanzer. Entladungen leuchten in den Dünen, Miniaturblitze jagen knisternd über seine Stiefel und Beine, während er forsch ausschreitet, damit er Lamias Wärmespur nicht aus den Augen verliert. Informationen strömen aus ihrem offenen Komlog herein. Hoyts abgeschottete Kanäle beweisen nur, dass er am Leben und in Bewegung ist.
    Kassad schreitet unter dem ausgestreckten Flügel der Sphinx hindurch und spürt das unsichtbare Gewicht über sich, das wie ein Stiefelabsatz verweilt. Dann geht er das Tal hinab und sieht das Jadegrab als Fehlen von Wärme im Infrarotbereich, als kalten Umriss. Hoyt betritt gerade die halbkreisförmige Öffnung; Lamia ist zwanzig Meter hinter ihm. Sonst bewegt sich nichts in dem Tal. Die Sensoren im Lager, die hinter Kassad von Nacht und Sturm verborgen werden, melden, dass Sol und das Baby schlafen und der Konsul wach ist, sich aber nicht bewegt – sonst nichts innerhalb des Erfassungsbereichs.
    Kassad entsichert die Waffe und geht mit großen Schritten seiner langen Beine rasch weiter. In diesem Augenblick würde er alles geben, wenn er Zugang zu einem Ortungssat hätte, wenn seine taktischen Kanäle vollständig wären und er sich nicht mit diesem Teilbild einer bruchstückhaften Situation begnügen müsste. Er zuckt in seinem Schutzpanzer mit den Achseln und geht weiter.

     
    Brawne Lamia schafft die letzten fünfzehn Meter ihres Ausflugs zum Jadegrab fast nicht. Der Wind hat mittlerweile orkanartige Wucht angenommen und schiebt sie voran, sodass sie zweimal den Halt verloren hat und der Länge nach in den Sand gestürzt ist. Inzwischen blitzt es auch richtig, gewaltige Explosionen, die den Himmel zerreißen und das leuchtende Grab vor ihr erhellen. Zweimal versucht sie, Hoyt, Kassad oder die anderen zu rufen, weil sie sicher ist, dass niemand im Lager bei diesem Lärm schlafen kann, aber Komlog und Implantat liefern ihr nur Statik und der Kanalsuchlauf Gebrabbel. Nach dem zweiten Sturz richtet sich Lamia auf die Knie auf und sieht sich um; seit dem kurzen Blick auf jemanden, der sich dem Eingang näherte, hat sie keine Spur mehr von Hoyt gesehen.
    Lamia umklammert die Automatik ihres Vaters, steht auf und lässt sich die letzten zwanzig Meter vom Wind wehen. Vor dem Eingangshalbkreis verweilt sie.
    Mag es am Sturm und den elektrischen Entladungen oder an etwas anderem liegen, jedenfalls leuchtet das Jadegrab in einem hellen Giftgrün, das die Dünen färbt und ihrer Haut das Aussehen von etwas aus dem Grab verleiht. Lamia unternimmt einen letzten Versuch, jemanden mit ihrem Komlog zu empfangen, dann betritt sie das Grab.
     
    Pater Lenar Hoyt von der zwölfhundert Jahre alten Gesellschaft Jesu, Angehöriger des Neuen

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