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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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zu interessieren, der seit neunhundert Jahren tot war.
    »Für wen arbeiten Sie?« Es war die Stimme von Hermund Philomel. Das überraschte mich aus unerfindlichen Gründen etwas.
    »Niemand.«
    Der schwache Dopplereffekt der Stimmen veränderte sich, während sie sich miteinander unterhielten. »Kann er gegen die Droge immun sein?«
    »Niemand ist immun«, sagte Diana. »Sie können sterben , wenn sie sie verabreicht bekommen, aber immun ist niemand.«
    »Was geht hier dann vor?«, fragte Hermund. »Warum sollte Gladstone am Vorabend des Krieges einen Niemand mit in den Rat bringen?«
    »Wissen Sie, er kann Sie hören«, sagte eine andere Männerstimme  – einer der Schurken.
    »Unwichtig«, sagte Diana. »Er wird das Verhör sowieso nicht überleben.« Ihre Stimme fuhr an mich gerichtet fort: »Warum hat dich die Präsidentin in den Rat eingeladen … John?«
    »Ich bin nicht sicher. Wahrscheinlich, um etwas über die Pilger zu erfahren.«
    »Welche Pilger, John?«
    »Die Pilger zum Shrike.«
    Jemand anders gab ein Geräusch von sich. »Psst«, sagte
Diana Philomel. Zu mir sagte sie: »Meinst du die Shrike-Pilger auf Hyperion, John?«
    »Ja.«
    »Ist gerade ein Pilgerzug unterwegs?«
    »Ja.«
    »Und warum hat Gladstone dich gefragt?«
    »Ich träume sie.«
    Ein missfälliger Laut. Hermund sagte: »Er ist verrückt. Er weiß nicht einmal unter der Wahrheitsdroge, wer er ist, und jetzt kommt er uns damit. Bringen wir es hinter uns und …«
    »Sei still!«, sagte Lady Diana. »Die Gladstone ist nicht verrückt. Und sie hat ihn eingeladen, weißt du noch? John, was meinst du damit, du träumst sie?«
    »Ich träume die Wahrnehmungen der ersten Persönlichkeitsrekonstruktion von Keats«, sagte ich. Meine Stimme war belegt, als würde ich im Schlaf reden. »Sie hat sich in einen der Pilger verkabelt, als ihr Körper ermordet wurde, und jetzt durchstreift sie ihre Mikrosphäre. Irgendwie sind ihre Wahrnehmungen meine Träume. Vielleicht sind meine Taten seine Träume. Ich weiß nicht.«
    »Verrückt«, sagte Hermund. »Nein, nein«, sagte Lady Diana. Ihre Stimme klang gepresst und fast schockiert. »John, bist du ein Cybrid?«
    »Ja.«
    »O Christus und Allah«, sagte Lady Diana.
    »Was ist ein Cybrid?«, fragte einer der Schurken. Er hatte eine hohe, fast feminine Stimme.
    Es herrschte einen Augenblick lang Schweigen, dann sprach Diana. »Idiot! Cybrids sind ferngesteuerte Menschen, die der Core geschaffen hat. Bis ins vergangene Jahrhundert saßen welche im Konzil der Ratgeber, dann wurden sie verfemt.«
    »Wie ein Android oder so was?«, sagte der andere Schurke.
    »Seien Sie still!«, sagte Hermund.

    »Nein«, antwortete Diana. »Cybrids waren genetisch perfekt, sie wurden aus DNS gezüchtet, die bis zur Alten Erde zurückreicht. Man brauchte nur einen Knochen … ein Haar … John, kannst du mich hören? John?«
    »Ja.«
    »John, du bist ein Cybrid – weißt du, wer deine Persönlichkeitsschablone war?«
    »John Keats.«
    Ich konnte hören, wie sie tief Luft holte. »Wer ist … war … John Keats?«
    »Ein Dichter?«
    »Wann hat er gelebt, John?«
    »Von 1795 bis 1821«, sagte ich.
    »Welche Zählung, John?«
    »Alte Erde nach Christus«, sagte ich. »Prä-Hegira. Moderne Ära …«
    Hermunds Stimme mischte sich aufgeregt ein. »John, sind Sie … stehen Sie im Augenblick in Verbindung mit dem TechnoCore?«
    »Ja.«
    »Können Sie … können Sie ungestört kommunizieren, trotz der Wahrheitsdroge?«
    »Ja.«
    »O Scheiße«, jammerte der Schurke mit der hohen Stimme.
    »Wir müssen hier verschwinden«, sagte Hermund.
    »Nur noch einen Augenblick«, warf Diana ein. »Wir müssen wissen …«
    »Können wir ihn mitnehmen?«, fragte der Schurke mit der tiefen Stimme.
    »Idiot«, sagte Hermund. »Wenn er lebt und mit der Datensphäre und dem TechnoCore in Verbindung steht … verdammt, er lebt im Core, sein Verstand ist dort … dann kann er Gladstone benachrichtigen, TopSec, FORCE, wen er will !«

    »Halt den Mund!«, sagte Lady Diana. »Wir töten ihn, sobald ich fertig bin. Noch ein paar Fragen, John …«
    »Ja.«
    »Warum will die Gladstone wissen, was mit den Pilgern zum Shrike geschieht? Hat es etwas mit dem Krieg mit den Ousters zu tun?«
    »Ich bin nicht sicher.«
    »Scheiße«, flüsterte Hermund. »Gehen wir!«
    »Ruhe! John, woher kommst du?«
    »Ich habe die letzten zehn Monate auf Esperance gelebt.«
    »Und davor?«
    »Davor auf der Erde.«
    »Welcher Erde?«, wollte Hermund wissen.

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