Die Hyperion-Gesänge
Implantat dieses Ziel codiert hatte – wegen der Anwesenheit dieses überflüssigen Monsignore beim Dinner auf God’s Grove? –, doch dann wurde ihr klar, dass sie an die Pilger gedacht hatte, während sie wach lag, die Sieben, die vor drei Jahren aufgebrochen waren, um auf Hyperion ihr Schicksal zu suchen. Pacem war die Heimat von Pater Lenar Hoyt gewesen … und dem anderen Priester vor ihm, Duré.
Gladstone zuckte unter dem Cape mit den Achseln und überquerte den Platz. Die Heimatwelten der Pilger zu besuchen, war als Route für ihren Spaziergang so gut wie jede andere auch; in vielen schlaflosen Nächten schlenderte sie durch Dutzende von Welten und kehrte erst kurz vor Dämmerung und ihren ersten Terminen nach Tau Ceti Center zurück. Immerhin würden es heute nur sieben Welten sein.
Hier war es früh am Morgen. Der Himmel von Pacem war gelb, mit grünen Wölkchen und einem Ammoniakgeruch, der
ihre Stirnhöhlen reizte und ihr Tränen in die Augen trieb. Der Luft war jener dünne, faulige, chemische Geruch einer Welt eigen, die weder vollständig terraformt noch völlig lebensfeindlich für Menschen war. Gladstone blieb stehen und sah sich um.
St. Peter war auf einem Hügel gelegen, der Vorplatz von einem Halbkreis von Säulen umgeben, an dessen Scheitel sich eine große Basilika befand. Rechts von ihr, wo sich die Säulen zu einer Treppe hin auftaten, die einen Kilometer oder mehr abwärts nach Süden führte, war eine kleine Stadt sichtbar; einfache kleine Häuser drängten sich zwischen schlohweißen Bäumen, die an die Skelette verkrüppelter Tiere erinnerten.
Nur wenige Menschen waren zu sehen, die über den Platz oder die Treppe hinaufeilten, als kämen sie zu spät zum Gottesdienst. Irgendwo unter der großen Kuppel der Kathedrale fingen Glocken an zu läuten, aber die dünne Luft beraubte den Klang jeglicher Kraft.
Gladstone ging mit gesenktem Kopf den Kreis der Kolonnaden entlang und achtete nicht auf die neugierigen Blicke der Priester und der Straßenreinigungsmannschaft, die auf einem Tier ritt, das einem tonnenschweren Stachelschwein glich. Es gab Dutzende unbedeutende Welten wie Pacem im Netz und noch mehr im Protektorat und dem nahe gelegenen Outback – so arm, dass sie für die unendlich mobilen Bürger nicht anziehend wirkten, aber so erdähnlich, dass man sie in der dunklen Zeit der Hegira nicht ignorieren konnte. Sie war einer kleinen Gruppe wie den Katholiken geeignet erschienen, die hierhergekommen waren um auf ein neuerliches Erstarken des Glaubens zu warten. Damals hatten sie noch Millionen gezählt, das wusste Gladstone; jetzt konnten es nur noch einige Zehntausend sein. Sie machte die Augen zu und rief sich Dossierholos von Pater Paul Duré ins Gedächtnis.
Gladstone liebte das Netz. Sie liebte die Menschen darin;
trotz ihrer Oberflächlichkeit, ihres Egoismus und ihres Unvermögens, sich zu ändern, waren sie die Substanz der Menschheit. Gladstone liebte das Netz. Sie liebte es so sehr, dass sie wusste, sie musste dabei helfen, es zu vernichten.
Sie kehrte zu dem kleinen dreiportaligen Terminex zurück, ließ ihren Farcasternexus mittels Prioritätsbefehl an die Datensphäre erscheinen und trat hindurch in Sonnenschein und den Geruch des Meeres.
Maui-Covenant. Gladstone wusste genau, wo sie war. Sie stand auf dem Hügel über Firstsite, wo Siris Grab immer noch die Stelle kennzeichnete, an der vor rund einem Jahrhundert die kurzlebige Rebellion ihren Anfang genommen hatte. Damals war Firstsite ein Dorf mit wenigen tausend Einwohnern gewesen, und in jeder Festivalwoche hatten Flötenspieler die schwimmenden Inseln begrüßt, wenn diese nach Norden zu ihren Futtergründen im Äquatorialarchipel zogen. Heute reichte Firstsite bis zum Horizont der Insel, Arkologien und Wohnwaben erstreckten sich etliche Kilometer in alle Richtungen und überragten den Hügel, der einmal den schönsten Ausblick über die Meereswelt Maui-Covenant geboten hatte.
Aber das Grab stand noch. Der Leichnam der Großmutter des Konsuls war nicht mehr da – war eigentlich nie da gewesen –, doch wie so viele symbolischen Dinge auf dieser Welt, verlangte auch das Grab Bewunderung, ja Ehrfurcht.
Gladstone sah zwischen den Türmen hindurch, über den alten Wellenbrecher, wo die blauen Lagunen braun geworden waren, an den Bohrplattformen und Touristenbarken vorbei und dorthin, wo das Meer begann. Heute gab es keine schwimmenden Inseln mehr. Sie zogen nicht mehr in großen Schwärmen über das Meer und
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