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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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töten?«
    Kassad knurrte, warf die nutzlose Waffe über das Geländer, leitete Energie in die Handschuhe und sprang.
    Moneta gab sich keine Mühe, ihm auszuweichen. Sie sah, wie er die zehn Schritte lief; er hatte den Kopf gesenkt, sein
Schutzpanzer stöhnte, während er die Kristallzusammensetzung der Polymere veränderte, und Kassad schrie. Sie senkte die Arme, um dem Aufprall zu begegnen.
    Kassads Geschwindigkeit und Masse rissen Moneta von den Füßen, beide stürzten; Kassad versuchte, ihr die Hände um den Hals zu legen, Moneta hielt seine Handgelenke wie ein Schraubstock, während sie über den Absatz zum Rand der Plattform rollten. Kassad wälzte sich auf sie, um sich die Schwerkraft bei der Wucht seines Angriffs zunutze zu machen, hielt die Arme ausgestreckt, die Handschuhe starr, die Finger zu tödlichen Krallen gekrümmt. Sein linkes Bein hing über dem sechzig Meter tiefen Abgrund.
    »Warum möchtest du mich töten?«, flüsterte Moneta und drängte ihn auf eine Seite, sodass sie beide über den Rand der Plattform stürzten.
    Kassad schrie und klappte mit einer ruckartigen Kopfbewegung das Visier herunter. Sie fielen durch die Leere, hatten gegenseitig die Beine wie Scheren um die Körper geschlungen, und Moneta hielt Kassads Hände mit ihrem Klammergriff um seine Gelenke von sich fern. Die Zeit schien sich zu verlangsamen, bis sie in Zeitlupe fielen, die Luft strich wie eine Decke über Kassad hinweg, die langsam über sein Gesicht gezogen wurde. Dann beschleunigte die Zeit wieder, wurde normal: Sie fielen die letzten zehn Meter. Kassad schrie und gab den erforderlichen Impuls, damit sein Panzer starr wurde, dann erfolgte ein schrecklicher Aufprall.
    Fedmahn Kassad kämpfte sich aus blutroter Ferne zur Oberfläche des Bewusstseins zurück und wusste, dass nur eine oder zwei Sekunden verstrichen waren, seit sie auf dem Boden aufgeschlagen waren. Er taumelte auf die Füße. Moneta stand ebenfalls langsam auf, sie hatte sich auf ein Knie aufgerichtet und betrachtete den Keramikboden, den ihr Absturz zertrümmert hatte.

    Kassad leitete Energie in die Servomechanismen der Anzugbeine und kickte mit voller Wucht nach ihrem Kopf.
    Moneta wich dem Tritt aus, packte sein Bein, drehte es herum und stieß ihn in eine drei Meter im Quadrat messende Kristallplatte, die zerschellte, worauf er in Sand und Nacht hinausstolperte. Moneta berührte ihren Nacken, Quecksilber strömte über ihr Gesicht, dann folgte sie ihm.
    Kassad klappte das gesprungene Visier hoch und nahm den Helm ab. Der Wind zerzauste sein kurzes, schwarzes Haar, Sand schmirgelte seine Wangen. Er ging in die Knie, kam wieder auf die Füße. Anzeigen am Kragendisplay des Anzugs blinkten rot und meldeten, dass die letzten Energiereserven im Schwinden begriffen waren. Kassad achtete nicht auf die Anzeigen; für die nächsten Sekunden würde es noch ausreichen  – und das allein zählte.
    »Was auch in meiner Zukunft – deiner Vergangenheit – geschehen sein mag«, sagte Moneta, »nicht ich habe mich verwandelt. Ich bin nicht der Herr der Schmerzen. Er …«
    Kassad sprang über die drei Meter hinweg, die sie trennten, landete hinter Moneta und riss den tödlichen Handschuh seiner rechten Hand in einer Bewegung herum, die die Schallmauer durchbrach – die Handkante war so starr und scharf, wie die piezoelektrischen Kohlenstoffasern sie nur machen konnten.
    Moneta duckte sich nicht, noch traf sie Anstalten, dem Schlag auszuweichen. Kassads Hand traf ihren Halsansatz mit einem Schlag, der einen Baum gefällt oder durch einen halben Meter Gesteins geschnitten hätte. Auf Bressia hatte Kassad in einem Handgemenge einen Oberst der Ousters auf diese Weise getötet – der Handschuh hatte durch Schutzpanzer, Kraftfeld, Fleisch und Knochen geschnitten, ohne auf Widerstand zu stoßen, sodass der Kopf des Mannes den eigenen enthaupteten Körper zwanzig Sekunden lang blinzelnd betrachtet hatte, bevor endlich der Tod eingetreten war.

    Kassads Hieb traf sein Ziel, wurde aber von der Oberfläche des Quecksilberhautanzugs aufgehalten. Moneta taumelte, doch sie reagierte nicht. Kassad spürte in diesem Augenblick, dass seine Anzugenergie verbraucht war; sein Arm wurde gefühllos und seine Schultermuskeln verkrampften sich schmerzhaft. Während er rückwärtsstolperte, hing sein rechter Arm wie abgestorben an der Seite und die Anzugenergie strömte heraus wie das Blut eines Verwundeten.
    »Du hörst mir nicht zu«, sagte Moneta. Sie kam auf ihn zu, packte Assad

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