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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Mittag aßen; Sol und der Konsul trugen ihn die breite Treppe der Sphinx hinauf in den Schatten. Das Gesicht des Priesters war so weiß wie sein Haar.
    Er versuchte zu lächeln, als Sol ihm eine Wasserflasche an die Lippen hielt. »Sie scheinen die Tatsache meiner Wiederauferstehung allesamt ziemlich leicht zu nehmen«, sagte er und wischte sich die Mundwinkel mit einem Finger ab.
    Der Konsul lehnte sich an die Steinmauer der Sphinx. »Ich habe die Kruziformen an Hoyt gesehen. Dieselben, die Sie jetzt tragen.«
    »Und ich habe seine Geschichte geglaubt – Ihre Geschichte«, sagte Sol. Er reichte dem Konsul das Wasser weiter.
    Duré griff sich an die Stirn. »Ich habe die Komlogdisks angehört. Die Geschichten, einschließlich meiner eigenen, sind … unglaublich.«
    »Haben Sie Zweifel an einer?«, fragte der Konsul.
    »Nein. Die Herausforderung besteht ja gerade darin, den Sinn in ihnen zu sehen. Das gemeinsame Element zu erkennen … den Zusammenhang zu finden.«
    Sol hob Rachel an die Brust, wiegte sie sanft und hielt ihr mit der Hand den Hinterkopf. »Muss es denn einen Zusammenhang geben? Abgesehen vom Shrike?«
    »O ja«, sagte Duré. Seine Wangen bekamen wieder ein wenig Farbe. »Diese Pilgerfahrt ist kein Zufall. Und dass die Wahl auf Sie gefallen ist, auch nicht.«
    »Verschiedene Elemente hatten ein Wörtchen mitzureden, als die Teilnehmer an der Pilgerfahrt ausgesucht wurden«, sagte der Konsul. »Die KI-Berater, der Senat der Hegemonie, sogar die Kirche des Shrike.«

    Duré schüttelte den Kopf. »Ja, aber nur eine führende Intelligenz hat die Auswahl bestimmt, meine Freunde.«
    Sol beugte sich näher zu ihm. »Gott?«
    »Vielleicht«, sagte Duré lächelnd, »aber ich habe mehr an den Core gedacht – die Künstlichen Intelligenzen, die sich den ganzen Verlauf der Ereignisse hindurch so geheimnisvoll benommen haben.«
    Das Baby gab leises Maunzen von sich. Sol holte ihm einen Schnuller und stellte das Komlog an seinem Handgelenk auf seine Herztöne ein. Das Kind ballte einmal die Faust, dann entspannte es sich an der Schulter des Gelehrten. »Brawnes Geschichte deutet darauf hin, dass Elemente im Core bestrebt sind, den Status quo zu destabilisieren, dass sie der Menschheit eine Möglichkeit zu überleben gewähren wollen, dabei aber gleichzeitig ihr Projekt Höchste Intelligenz vorantreiben können.«
    Der Konsul deutete zum wolkenlosen Himmel. »Alles Geschehene  – unsere Pilgerfahrt, selbst dieser Krieg – wurde aufgrund der internen Politik des Core eingefädelt.«
    »Und was wissen wir vom Core?«, fragte Duré leise.
    »Nichts«, sagte der Konsul und warf einen Kiesel auf den gemeißelten Stein links neben der Treppe der Sphinx. »Wenn alles gesagt und getan ist, wissen wir nichts.«
    Duré hatte sich inzwischen aufgerichtet und massierte sich das Gesicht mit einem angefeuchteten Tuch. »Und doch ist ihr Ziel unserem so seltsam ähnlich.«
    »Und das wäre?«, fragte Sol, der das Baby wiegte.
    »Gott kennenzulernen«, sagte der Priester. »Und falls uns das nicht gelingt, Ihn zu erschaffen.« Er sah blinzelnd das lange Tal hinab. Schatten erstreckten sich jetzt von den südwestlichen Wänden und berührten die Gräber, die sie bald einhüllen würden. »Ich selbst habe dazu beigetragen, diese Vorstellung in der Kirche populär zu machen …«

    »Ich habe Ihre Abhandlungen über St. Teilhard gelesen«, sagte Sol. »Sie haben die Notwendigkeit der Evolution hin zum Punkt Omega – zur Gottheit – brillant verteidigt, ohne in die Sozinische Häresie zu stolpern.«
    »Die was?«, fragte der Konsul.
    Pater Duré lächelte verhalten. »Sozinus war ein italienischer Häretiker im sechzehnten Jahrhundert n. Chr. Seine Überzeugung  – für die er exkommuniziert wurde – war die, dass Gott ein Wesen mit Grenzen ist, das lernen kann, wenn die Welt – das Universum – komplexer wird. Aber ich bin in die Falle der Sozinischen Häresie gestolpert, Sol. Das war meine erste Sünde.«
    Sols Blick war standhaft. »Und Ihre letzte Sünde?«
    »Außer Stolz?«, fragte Duré. »Meine größte Sünde war, dass ich Daten meiner siebenjährigen Ausgrabungen auf Armaghast gefälscht habe. Ich hatte versucht, eine Brücke zwischen den verschwundenen Erzbaumeistern dort und einer Form von Vor-Christenheit zu schlagen. Diese existierte nicht. Ich habe die Daten getürkt. Die Ironie besteht darin, dass ich zumindest nach Überzeugung der Kirche die wissenschaftliche Methode verraten habe. In ihren

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