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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Schrittes das Tal hinauf.
    »Hey, verflucht, warten Sie gefälligst einen Moment, bis ich mitkomme!«, rief Silenus, dessen Feldflaschen und Wasserkanister beim Laufen klapperten.
    Sie kamen gemeinsam aus dem Sattel zwischen den Felswänden heraus. Silenus drehte sich um, und sah die drei anderen Männer schon zwergenhaft durch die Entfernung, winzige bunte Striche zwischen den Felsen und Dünen bei der Sphinx. »Es läuft nicht so, wie geplant, oder?«, sagte er.
    »Ich weiß nicht«, sagte Lamia. Sie hatte für die Wanderung eine kurze Hose angezogen, die Muskeln ihrer kräftigen Beine glänzten unter einem Schweißfilm. »Wie war es denn geplant?«
    »Mein Plan sah vor, das größte Gedicht des Universums zu vollenden und dann heimzukehren«, sagte Silenus. Er trank einen Schluck aus der letzten Wasserflasche. »Verdammt noch mal, wenn wir wenigstens ausreichend Wein mitgebracht hätten!«
    »Ich hatte keinen Plan«, sagte Lamia halb zu sich selbst. Ihre kurzen, schweißnassen Locken klebten ihr am Kopf.

    Martin Silenus lachte schnaubend. »Sie wären gar nicht hier, wenn Ihr Cyborgliebhaber nicht gewesen wäre …«
    »Klient«, fauchte sie.
    »Wie auch immer. Die rekonstruierte Persönlichkeit von John Keats hielt es für wichtig hierherzukommen. Jetzt haben Sie ihn also bis hierher geschleppt … Sie tragen immer noch die Schrön-Schleife, richtig?«
    Lamia berührte geistesabwesend den winzigen Neuralstecker hinter ihrem linken Ohr. Eine dünne Membran Osmosepolymer verhinderte, dass Sand und Staub in die follikelgroßen Kontakte gerieten. »Ja.«
    Silenus lachte wieder. »Was nützt das schon für einen Scheißdreck, wenn es hier keine interaktive Datensphäre gibt, Mädchen? Sie hätten die Keats-Persönlichkeit ebensogut auf Lusus oder sonstwo lassen können.« Der Dichter verweilte einen Moment lang und rückte Gurte und Rucksäcke zurecht. »Sagen Sie, haben Sie denn selbst Zugang zu der Persönlichkeit?«
    Lamia dachte an die Träume der vergangenen Nacht. Die Präsenz darin war wie Johnny gewesen – aber die Bilder kamen aus dem Netz. Erinnerungen? »Nein«, sagte sie, »ich selbst habe keinen Zugang zu der Schrön-Schleife. Sie enthält mehr Daten, als hundert normale Implantate handhaben könnten. Warum halten Sie jetzt nicht den Mund und gehen?« Sie schritt schneller aus und ließ ihn stehen.
    Der Himmel war wolkenlos, strahlend und deutete lapislazulifarbene Tiefen an. Das Geröllfeld vor ihnen erstreckte sich nach Südwesten bis zum Ödland, dem Ödland, das sich den Wanderdünen ergab. Die beiden gingen dreißig Minuten schweigend dahin und waren von fünf Metern Abstand und ihren Gedanken getrennt. Hyperions Sonne hing klein und hell zu ihrer Rechten.
    »Die Dünen werden steiler«, sagte Lamia, während sie einen weiteren Hang hinaufstolperten und auf der anderen Seite
herunterrutschten. Die Oberfläche war heiß, ihre Schuhe füllten sich bereits mit Sand.
    Silenus nickte, blieb stehen und wischte sich mit einem seidenen Taschentuch das Gesicht ab. Sein weiches purpurfarbenes Barett hing tief über die Stirn und das linke Ohr, spendete aber keinen Schatten. »Es wäre einfacher, der Erhebung dort im Norden zu folgen. Bei der toten Stadt.«
    Brawne Lamia schirmte die Augen ab und sah in diese Richtung. »Wir verlieren mindestens eine halbe Stunde, wenn wir dorthin gehen.«
    »Wir verlieren mehr, wenn wir hier langgehen.« Silenus setzte sich auf eine Düne und trank aus der Wasserflasche. Er zog das Cape aus, legte es zusammen und verstaute es im größten Rucksack.
    »Was haben Sie da?«, fragte Lamia. »Der Rucksack sieht aus, als wäre er voll.«
    »Das geht Sie überhaupt nichts an.«
    Lamia schüttelte den Kopf, rieb sich die Wangen und spürte Sonnenbrand. Sie war nicht an so lange Zeit in der Sonne gewöhnt, und die Atmosphäre von Hyperion hielt die UV-Strahlung kaum ab. Sie kramte in der Tasche nach der Tube Sonnencreme und trug ein wenig auf. »Na gut«, sagte sie, »wir machen den Umweg. Wir folgen der Erhebung, bis die schlimmsten Dünen hinter uns liegen, und dann legen wir einen geraden Weg zum Keep zurück.«
    Die Berge schwebten am Horizont und schienen nicht näher zu kommen. Die schneebedeckten Gipfel verspotteten sie mit ihrem Versprechen von kühler Brise und frischem Wasser. Das Tal der Zeitgräber lag unsichtbar hinter ihnen; Dünen und das Geröllfeld versperrten ihnen die Sicht darauf.
    Lamia rückte die Rucksäcke zurecht, wandte sich nach rechts und stapfte halb

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