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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Geheimnissen auf den Grund zu gehen.
    Sie hörte eine ungewohnte Schüchternheit in ihrer Stimme/ihren
Gedanken. Ich bin nicht sicher, ob ich das will, Johnny.
    Er drehte sich um und sah sie an. Ist das die Detektivin, die ich kennengelernt habe? Was ist aus der Frau geworden, die Geheimnisse nicht ausstehen konnte?
    – Die hat schwere Zeiten hinter sich, Johnny. Ich habe nachgedacht und festgestellt, dass mein Entschluss, Detektivin zu werden, zum größten Teil auf den Selbstmord meines Vaters zurückzuführen ist. Ich versuche immer noch das Geheimnis seines Todes aufzuklären. Unterdessen sind im wirklichen Leben eine Menge Leute verletzt worden. Einschließlich dir selbst, Liebster.
    – Und hast du es aufgeklärt?
    – Was?
    – Das Geheimnis um den Tod deines Vaters?
    Lamia sah ihn stirnrunzelnd an. Ich weiß nicht. Ich glaube nicht.
    Johnny deutete zu der flüssigen Masse der Datensphäre, die um sie herumwogte. Dort oben warten eine Menge Antworten, Brawne. Wenn wir den Mut haben, nach ihnen zu suchen.
    Sie nahm wieder seine Hand. Wir könnten dort sterben.
    – Ja.
    Lamia zögerte, und blickte in Richtung Hyperion. Die Welt bestand aus einer dunklen Krümmung mit einigen wenigen isolierten Datenflussinseln, die wie Lagerfeuer in der Nacht leuchteten. Der große Ozean über ihnen gischtete und pulsierte im Licht und Lärm der Datenübermittlungen – und Lamia wusste, dass es sich nur um eine winzige Ausdehnung der Megasphäre dahinter handelte. Sie wusste – sie spürte – , dass ihre wiedergeborenen Dateiebenenanaloge Orte besuchen konnten, von denen kein Cyberpuke-Cowboy auch nur zu träumen gewagt hätte.
    Brawne wusste, mit Johnny als Führer waren ihr Tiefen von
Megasphäre und TechnoCore zugänglich, in die noch kein Mensch vorgedrungen war. Und sie hatte Angst.
    Aber sie war endlich bei Peter Pan. Und Nimmerland lockte.
    – Na gut, Johnny. Worauf warten wir noch?
    Gemeinsam stiegen sie der Megasphäre entgegen.
    27
    Oberst Fedmahn Kassad folgte Moneta durch das Portal und befand sich auf einer weiten lunaren Ebene, wo ein schrecklicher Baum der Dornen fünf Kilometer hoch in einen blutroten Himmel ragte. Menschliche Gestalten wanden sich auf den vielen Dornen und Zweigen: die in der Nähe deutlich sichtbar menschlich und unter Qualen, die weiter entfernten durch die Distanz zwergenhaft, sodass sie wie Dolden blasser Trauben aussahen.
    Kassad blinzelte und holte unter der Oberfläche seines quecksilberartigen Hautanzugs tief Luft. Er sah sich um, an der schweigenden Gestalt von Moneta vorbei, wobei er den Blick von der Obszönität des Baums losreißen musste.
    Was er für eine lunare Ebene gehalten hatte, war die Oberfläche von Hyperion am Eingang zum Tal der Zeitgräber, aber ein schrecklich verwandeltes Hyperion. Die Dünen waren erstarrt und verformt, als wären sie bombardiert und zu Glas geschmolzen worden; die Felsblöcke und Klippen waren ebenfalls geschmolzen und wie Gletscher aus hellem Gestein gefroren. Eine Atmosphäre gab es nicht mehr – der Himmel war schwarz und wies die unbarmherzige Klarheit eines luftleeren Mondes auf. Die Sonne war nicht die von Hyperion; das Licht entsprach keiner menschlichen Erfahrung. Kassad blickte auf, und die Sichtfilter seines Hautanzugs polarisierten, um die schrecklichen Energien erträglich zu machen, die
den Himmel mit blutroten Bändern und Blumen grellweißen Lichts überzogen.
    Unter ihm schien das Tal wie unter einem nicht spürbarem Beben zu erzittern. Die Zeitgräber leuchteten von innerer Energie, aus jedem Eingang, jedem Portal und jeder Öffnung wurden weiße Blitze kalten Lichts über den Talboden geschleudert. Die Gräber sahen neu, poliert und glänzend aus.
    Kassad wurde klar, dass lediglich der Hautanzug dafür sorgte, dass er atmen konnte und seine Haut vor der lunaren Kälte schützte, die die Wüstenwärme verdrängt hatte. Er drehte sich zu Moneta um, versuchte eine intelligente Frage zu formulieren, schaffte es nicht und blickte wieder zu dem unmöglichen Baum auf.
    Der Dornenbaum schien aus demselben Chrom und Edelstahl zu bestehen wie das Shrike selbst: eindeutig künstlich und dennoch gleichzeitig auf grässliche Weise organisch. Der Stamm war zwei- oder dreihundert Meter dick, wo er seinen Ursprung hatte, die unteren Äste fast ebenso breit, aber die kleineren Zweige und Dornen verjüngten sich bald zu dolchartigen Spitzen, während sie mit ihrer furchtbaren Last menschlicher Früchte himmelwärts strebten.
    Es war

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