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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Oberst Fedmahn Kassad ab und stieß einen Schrei aus, den nur er in der lunaren Stille hören konnte – ein Schrei, der teils Kriegsschrei aus der fernen menschlichen Vergangenheit war, teils Jubelruf der FORCE-Kadetten, teils Karateschrei und teils reiner Trotz. Er rannte über die Dünen auf den Baum der Dornen und das Shrike zu, das direkt davor stand.
    Jetzt drängten sich Tausende Shrikes auf den Bergen und in den Tälern. Scheren wurden einheitlich aufgeklappt; Licht glitzerte auf Zehntausend skalpellscharfen Klingen und Dornen.
    Kassad achtete nicht auf die anderen und stürmte auf das Shrike zu, das er seiner Meinung nach als erstes gesehen hatte. Über dem Ding krümmten sich menschliche Gestalten in der Einsamkeit ihrer Qual.
    Das Shrike, auf das er zulief, breitete die Arme aus, als wollte es seine Umarmung darbieten. Gekrümmte Klingen an Handgelenken, Armgelenken und auf der Brust schienen aus verborgenen Scheiden auszufahren.
    Kassad schrie und legte die verbliebene Entfernung zurück.
    28
    »Ich sollte nicht gehen«, sagte der Konsul.
    Er und Sol hatten den bewusstlosen Het Masteen aus dem Höhlengrab zur Sphinx getragen, während Pater Duré auf Brawne Lamia aufgepasst hatte. Es war fast Mitternacht, und
das Tal erstrahlte im gespiegelten Licht der Zeitgräber. Die Schwingen der Sphinx schnitten Bögen aus dem bisschen Himmel, das sie über den Felswänden sehen konnten. Brawne lag reglos da, das obszöne Kabel schlängelte sich in die Dunkelheit des Grabs.
    Sol berührte den Konsul an der Schulter. »Wir haben darüber gesprochen. Sie sollten gehen.«
    Der Konsul schüttelte den Kopf und strich müßig über die uralte Hawking-Matte. »Sie könnte vielleicht zwei befördern. Sie und Duré könnten es bis zur Anlegestelle der Benares schaffen.«
    Sol hielt den winzigen Kopf seiner Tochter in der hohlen Hand, während er sie sanft wiegte. »Rachel ist zwei Tage alt. Davon abgesehen gehören wir hierher.«
    Der Konsul sah sich um. Schmerz stand in seinen Augen. »Ich gehöre hierher. Das Shrike …«
    Duré beugte sich vor. Das Leuchten des Grabs hinter ihm malte seine hohe Stirn und die Wangen in strahlenden Farben. »Mein Sohn, wenn Sie hierbleiben, dann nur aus dem Grund, Selbstmord zu begehen. Wenn Sie versuchen, das Schiff für M. Lamia und dem Tempelritter zu holen, helfen Sie damit anderen.«
    Der Konsul rieb sich die Wangen. Er war sehr müde. »Sie hätten noch Platz auf der Matte, Pater.«
    Duré lächelte. »Wie mein Schicksal auch aussehen mag, ich spüre, dass ich mich ihm hier stellen muss. Ich werde auf Ihre Rückkehr warten.«
    Der Konsul schüttelte wieder den Kopf, setzte sich dann aber mit überkreuzten Beinen auf die Matte und zog die schwere Reisetasche zu sich her. Er zählte die Rationspackungen und Wasserflaschen, die Sol ihm eingepackt hatte. »Das sind zu viele. Sie werden mehr für sich selbst brauchen.«
    Duré kicherte. »Wir haben genügend Wasser und Lebensmittel
für vier Tage, dank M. Lamia. Wenn wir danach fasten müssen, wird es für mich nicht das erste Mal sein.«
    »Und wenn Silenus und Kassad zurückkehren?«
    »Die können von unserem Wasser abhaben«, sagte Sol. »Und wir können noch einmal ins Keep, Essen holen, sollten die anderen zurückkommen.«
    Der Konsul seufzte. »Nun gut.« Er berührte die entsprechenden Flugmuster, worauf der zwei Meter lange Teppich starr wurde und sich zehn Zentimeter über das Felsgestein erhob. Störungen in dem unsicheren Magnetfeld waren keine festzustellen.
    »Sie brauchen Sauerstoff für die Überquerung des Gebirges« , sagte Sol.
    Der Konsul hob die Osmosemaske aus seiner Tasche.
    Sol gab ihm Lamias automatische Pistole.
    »Ich kann nicht …«
    »Uns wird sie gegen das Shrike nichts nützen«, sagte Sol. »Aber bei Ihnen könnte sie entscheiden, ob Sie bis Keats kommen oder nicht.«
    Der Konsul nickte und verstaute die Waffe in der Tasche. Er schüttelte dem Priester die Hand, dann dem alten Gelehrten. Rachels winzige Fingerchen strichen über seinen Unterarm.
    »Viel Glück«, sagte Duré. »Möge Gott mit Ihnen sein.«
    Der Konsul nickte, berührte die Flugmuster und beugte sich nach vorn, als sich die Hawking-Matte fünf Meter hob, fast unmerklich erbebte und dann vorwärts- und in die Höhe glitt wie auf unsichtbaren Schienen.
    Der Konsul steuerte nach rechts zum Eingang des Tals, schwebte zehn Meter über den Dünen dahin und schwenkte dann nach links über das Ödland. Er drehte sich nur einmal um. Die vier

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