Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
gerade noch die ersten Inseln des Äquatorialarchipels erkennen, die grün und dauerhaft in den Abendhimmel aufragten.
    Siri berührte ihn an der Schulter und deutete nach Westen.
    Die Inseln brannten, gingen unter, ihre Labwurzeln zuckten vor qualvollen Schmerzen. Die Delphinherden waren verschwunden. Feuer regnete vom Himmel. Der Konsul sah Laserlanzen von Milliarden Volt, die die Luft versengten und blaugraue Schemen auf den Netzhäuten hinterließen. Unterwasserexplosionen erhellten die Meere und schleuderten Tausende Fische und empfindliche Meerestiere in Todeskrämpfen an die Oberfläche.
    »Warum?«, fragte Großmutter Siri, aber ihre Stimme war das leise Flüstern eines Teenagers.
    Der Konsul wollte ihr antworten, konnte es aber nicht. Tränen blendeten ihn. Er griff nach ihrer Hand, aber sie war nicht mehr da, und das Wissen, dass sie fort war, dass er seine Sünden nie wiedergutmachen konnte, schmerzte ihn so sehr, dass es ihm schwerfiel zu atmen. Empfindungen schnürten ihm die Kehle zu. Dann merkte er, dass Rauch ihm in den Augen
brannte und in die Lunge drang; die Insel der Ersten Familie stand in Flammen.
    Das Kind, das Konsul werden sollte, stolperte durch die blauschwarze Dunkelheit und suchte blind nach jemandem, der ihm die Hand hielt, ihn tröstete.
    Eine Hand legte sich um seine. Es war nicht die von Siri. Der Druck dieser Hand war unvorstellbar fest. Die Finger waren Klingen.
     
    Der Konsul erwachte stöhnend.
    Es war dunkel. Er hatte mindestens sieben Stunden geschlafen. Er wand sich in dem Seil, richtete sich auf und sah auf das Komlogdisplay.
    Zwölf Stunden. Er hatte zwölf Stunden geschlafen.
    Jeder Muskel in seinem Körper tat weh, als er sich seitwärts beugte und nach unten sah. Die Schwebematte hielt eine konstante Höhe von vierzig Metern, aber er hatte keine Ahnung, wo er sich befand. Unten erstreckten sich flache Berge. Einige musste die Matte in nur drei oder vier Metern Höhe überquert haben; orangefarbenes Gras und Flechten wuchsen in unregelmäßigen Büschen.
    Irgendwann war er im Verlauf der vergangenen Stunden über das Südufer des Grasmeers hinweggeflogen und hatte den kleinen Hafen von Edge und die Docks des Flusses Hoolie verfehlt, wo die Benares , ihre Schwebebarke, vertaut gewesen war.
    Der Konsul hatte keinen Kompass – Kompasse waren nutzlos auf Hyperion –, und sein Komlog war nicht als Richtungsfinder programmiert. Er hatte vorgehabt, dem Hoolie nach Süden und Westen bis Keats, also in etwa dem mühsamen Weg ihrer Pilgerfahrt flussaufwärts zu folgen, ohne die Kurven und Biegungen des Flusses.
    Jetzt hatte er sich verirrt.

    Der Konsul landete mit der Schwebematte auf einer flachen Hügelkuppe, trat mit einem Schmerzenslaut auf festen Boden und deaktivierte die Matte. Er wusste, die Ladung der Flugfäden musste inzwischen zu gut dreißig Prozent verbraucht sein – möglicherweise mehr. Er hatte keine Ahnung, wie viel Leistung die Matte allein aufgrund ihres Alters eingebüßt hatte.
    Die Hügel sahen wie das unebene Land südlich des Grasmeers aus, aber vom Fluss war nichts zu sehen. Sein Komlog verriet ihm, dass es erst eine Stunde oder so dunkel war, aber der Konsul konnte auch keine Spur mehr vom Sonnenuntergang im Westen erkennen. Der Himmel war verhangen und verbarg sowohl die Sterne wie auch mögliche Zeichen von Raumschlachten.
    »Verdammt«, flüsterte der Konsul. Er schritt auf und ab, bis sein Blutkreislauf wieder in Schwung gekommen war, urinierte am Rand eines kurzen Hangs und ging zur Matte zurück, wo er Wasser aus der Flasche trank. Denk nach!
    Er hatte die Matte auf einen südwestlichen Kurs programmiert, der ihn in die Nähe der Hafenstadt Edge oder direkt dort ans Ufer des Grasmeers hätte führen müssen. Wenn er Edge und den Fluss einfach im Schlaf überflogen hatte, müsste der Fluss irgendwo südlich sein, links von ihm. Aber wenn er schlecht gezielt hatte, als er Pilgrim’s Rest verließ, nur ein paar Grad nach links, dann befand sich der Fluss im Nordosten, irgendwo rechts von ihm. Selbst wenn er die falsche Richtung einschlug, würde er früher oder später eine bekannte landschaftliche Gegebenheit finden – die Küste der nördlichen Mähne, wenn nichts anderes –, aber diese Verzögerung konnte ihn einen ganzen Tag kosten.
    Der Konsul kickte nach einem Stein und verschränkte die Arme. Nach der Hitze des Tages war es sehr kühl. Er zitterte und stellte fest, dass sein Sonnenbrand schmerzte. Er griff
sich an den Schädel und zog

Weitere Kostenlose Bücher