Die Hyperion-Gesänge
Planeten Hyperion in nicht einmal zwei Sekunden erreichen und selbst die entferntesten Elemente des Schwarms der Ousters innerhalb von zehn Minuten überrollen.
»Daher«, sagte Meina Gladstone, deren Stimme zum ersten Mal eine Gefühlsregung erkennen ließ, »habe ich als Präsidentin des Senats der Hegemonie der Menschheit angeordnet, dass Elemente von FORCE:Weltraum sämtliche Singularitätssphären und bekannte Farcastereinrichtungen vernichten. Diese Vernichtung – dieses Ausbrennen – findet in zehn Sekunden statt. Gott schütze die Hegemonie. Gott vergebe uns allen.«
Brückenoffizier Salumun Morpurgo sagte gelassen: »Fünf Sekunden bis Transfer, Vater.«
Morpurgo sah durch die Brücke seinem Sohn in die Augen. Projektionen hinter dem jungen Mann zeigten das Portal, das wuchs, wuchs, sie umhüllte.
»Ich habe dich sehr lieb«, sagte der General.
Zweihundertsechsunddreißig Singularitätssphären, die mehr als zweiundsiebzig Millionen Farcasterportale miteinander verbanden, wurden innerhalb von zwei Punkt sechs Sekunden nacheinander vernichtet. Flotteneinheiten von FORCE, die Morpurgo unter höchster Geheimhaltung in Stellung beordert hatte und die auf Befehle handelten, die erst drei Minuten vorher geöffnet wurden, reagierten prompt und professionell und vernichteten die empfindlichen Farcastersphären mit Geschossen, Lasern und Plasmaexplosivstoffen.
Drei Sekunden später, als die Trümmerwolken sich ausbreiteten, waren Hunderte Schiffe von FORCE gestrandet und voneinander und anderen Systemen durch Wochen und Monate via Hawking-Antrieb und jahrelange Zeitschuld getrennt.
Tausende Menschen wurden im Farcastertransit erwischt. Viele starben auf der Stelle, wurden verstümmelt oder entzweigerissen. Weiteren wurden Gliedmaßen amputiert, wenn Portale vor oder hinter ihnen zusammenbrachen.
Das war das Schicksal der HS Stephen Hawking – genau wie geplant –, als Eingangs- und Ausgangsportal auf den Sekundenbruchteil genau beim Transfer des Schiffes vernichtet wurden. Kein Teil des Schlachtschiffs überlebte im echten Raum. Spätere Tests bewiesen eindeutig, dass der sogenannte Todesstrahl in dem, was in der seltsamen Core-Geografie zwischen den Portalen als Raum und Zeit galt, zur Zündung kam.
Die Auswirkungen erfuhr man nie.
Die Auswirkungen auf den Rest des Netzes und seine Bewohner dagegen waren sofort ersichtlich.
Nach mehreren Jahrhunderten seiner Existenz und mindestens vier Jahrhunderten, in denen kaum ein Bürger ohne sie ausgekommen war, hörte die Datensphäre – einschließlich des All-Wesens und sämtlicher Komzugangsfrequenzen – einfach auf zu existieren. Hunderttausende Bürger verloren
in diesem Augenblick den Verstand – der Verlust von Sinnen, die wichtiger für sie geworden waren als Sehen oder Hören, führte zu einem katatonischen Schock.
Weitere Hunderte oder Tausende von Dateiebenenoperatoren, einschließlich der sogenannten Cyberpukes und Console-Cowboys verschwanden, weil ihre Analogpersönlichkeiten entweder im Zusammenbruch der Datensphäre untergingen oder ihre Gehirne durch Überladung der Kortikalstecker ausbrannten oder sie einem Effekt zum Opfer fielen, der später als Zero-Zero-Rückkopplung bezeichnet wurde.
Millionen Menschen starben, als ihre selbstgewählten Wohnsitze, nur durch Farcaster zu erreichen, zu isolierten tödlichen Fallen wurden.
Der Bischof der Kirche der Letzten Buße – der Führer des Shrike-Kults – hatte sorgfältig Vorkehrungen getroffen, die Letzten Tage in aller Bequemlichkeit im Innern eines ausgeh öhlten Berges auszusitzen, der sich luxuriös möbliert tief im Raven Range der nördlichen Ausläufer von Nevermore befand. Weitverzweigte Farcaster bildeten die einzigen Ein-und Ausgänge. Der Bischof verschied zusammen mit einigen tausend seiner Altardiener, Exorzisten, Schriftgelehrten und Gehilfen, die an den Wänden des Inneren Heiligtums kratzten, damit sie die letzte Atemluft mit Seiner Heiligkeit teilen konnten.
Die millionenschwere Verlegerin Tyrena Wingreen-Feif, siebenundneunzig Standardjahre alt und dank Poulsen-Behandlungen und Kryonik seit dreihundert Jahren auf der Bildfläche, beging den Fehler, den schicksalhaften Tag in ihrem nur per Farcaster erreichbaren Büro im vierhundertfünfunddreißigsten Stock des Transline Spire im Stadtteil Babel von Tau Ceti Centers City Fünf zu verbringen. Nachdem sie sich fünfzehn Stunden lang störrisch geweigert hatte zu glauben, dass der Farcasterservice nicht
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