Die Hyperion-Gesänge
reisenden Schiffs unterbrochen wurde. Schließlich sagte der Konsul: »Schiff, bitte gib einen Standardfatlinezeitbestimmungsspruch auf. Mit dem Zusatz: ›Empfangende Stationen antworten‹.«
Es folgte eine sekundenlange Pause – eine unmöglich lange Zeitspanne für den Computer vom KI-Kaliber, über den das Schiff verfügte. »Tut mir leid, das ist nicht möglich«, sagte es schließlich.
»Warum nicht?«, wollte der Konsul wissen.
»Fatlinesendungen werden nicht mehr … gestattet. Das Hyperstring-Medium ist nicht mehr für Modulation empfänglich.«
»Es ist nichts auf der Fatline?«, fragte Theo und betrachtete den leeren Raum über der Holonische, als hätte jemand ein Holo abgeschaltet, als gerade der interessante Teil anfing.
Wieder machte das Schiff eine Pause. »In praktischer Hinsicht, M. Lane«, sagte es, »gibt es keine Fatline mehr.«
»Herrgott noch mal!«, murmelte der Konsul. Er stürzte seinen Drink mit einem einzigen großen Schluck hinunter und holte sich an der Bar einen neuen. »Das ist der alte chinesische Fluch«, murmelte er.
Melio Arundez sah auf. »Bitte?«
Der Konsul trank einen kräftigen Schluck. »Alter chinesischer
Fluch«, sagte er. »Mögest du in interessanten Zeiten leben.«
Als wollte es den Verlust der Fatline kompensieren, spielte das Schiff den Funkverkehr innerhalb des Systems und Richtstrahlmeldungen ab, während es ein Echtzeitpanorama der blauweißen Kugel von Hyperion zeigte, die sich drehte und langsam größer wurde, da sie mit zweihundert Ge im Bremsmanöver darauf zurasten.
45
Ich entkomme der Datensphäre des Netzes, kurz bevor kein Entkommen mehr möglich ist.
Unglaublich und etwas beunruhigend ist der Anblick der Megasphäre, die sich selbst verschlingt. Brawne Lamias Ansicht der Megasphäre als organisches Ding, als halb vernunftbegabter Organismus, der mehr Ähnlichkeit mit einer Ökologie als mit einer Stadt aufweist, war essentiell korrekt. Als die Farcasterverbindungen aufhören zu existieren und die Welt im Innern dieser Straßen zusammenklappt und zerbricht, während die externe Datensphäre gleichzeitig einstürzt wie ein brennendes Zelt, das plötzlich ohne Pfosten, Drähte, Heringe oder Pflöcke dasteht, verschlingt sich die lebende Megasphäre selbst wie ein gefräßiges Raubtier, das den Verstand verloren hat – das seinen eigenen Schwanz verschlingt, den Bauch, Eingeweide, Vorderpfoten und Herz –, bis nur noch die hirnlosen Kiefer übrig sind, die ins Leere schnappen.
Die Metasphäre bleibt. Aber die ist jetzt mehr denn je Wildnis.
Schwarze Wälder unbekannter Zeit, unbekannten Raums.
Geräusche in der Nacht.
Löwen.
Und Tiger.
Und Bären.
Als die Bindende Leere sich aufbäumt und ihre einzige, banale Botschaft ins Universum der Menschen schickt, ist das so, als hätte ein Erdbeben Wellen durch soliden Fels gejagt. Ich eile durch die veränderliche Metasphäre über Hyperion und muss lächeln. Es ist, als wäre das Gott-Analogon der Ameisen überdrüssig, die Graffiti auf Seinen großen Zeh kritzeln.
Ich sehe Gott – keinen der beiden – nicht in der Metasphäre. Ich versuche es auch nicht. Ich habe genügend Probleme.
Die schwarzen Wirbel der Zugänge zu Netz und Core sind verschwunden und aus Raum und Zeit getilgt wie ausgebrannte Warzen, so vollkommen verschwunden wie Strudel im Wasser, wenn der Sturm vorbei ist.
Ich sitze hier fest, wenn ich mich nicht in die Metasphäre wagen will.
Und das will ich nicht. Noch nicht.
Ich möchte hier sein. Hier, im Hyperion-System, ist die Datensphäre fast völlig verschwunden, die erbärmlichen Überreste auf dem Planeten selbst und in den Resten der Flotte von FORCE trocknen aus wie Pfützen in der Sonne, aber die Zeitgräber glühen durch die Metasphäre wie Fanale in der zunehmenden Dunkelheit. Wenn die Farcasterverbindungen schwarze Wirbel gewesen sind, dann sind die Zeitgräber glühende weiße Löcher in expandierendem Licht.
Ich bewege mich auf sie zu. Bis jetzt habe ich als der Vorhergehende nichts anderes erreicht als in den Träumen anderer zu erscheinen. Es wird höchste Zeit, dass ich etwas unternehme .
Sol wartete.
Stunden waren vergangen, seit er sein einziges Kind dem Shrike gegeben hatte. Es war Tage her, dass er gegessen oder geschlafen hatte. Um ihn herum hatte der Sturm gewütet und nachgelassen, die Gräber hatten geglüht und gegrollt wie durchgebrannte Reaktoren, und die Gezeiten der Zeit hatten mit der Heftigkeit von Tsunamis an ihm gezerrt.
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