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Die indische Erbschaft

Die indische Erbschaft

Titel: Die indische Erbschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Christi, und bestell ihr einen Gruß von mir. Und sie soll sich nicht so abhetzen!“
    Charlotte verließ mit ihm zusammen das Haus. Werner und Christa blieben zurück. Das Spülwasser summte im Kessel, und sie machten sich gemeinsam ans Abwaschen des Geschirrs. Werner griff nach dem Küchenhandtuch.
    „Der alte Brückner ist krank“, sagte er nach einer Weile. Bernhard Brückner war sein Lehrer, bei dem er heimlich Schauspielunterricht nahm. Ein alter Mime, der bald nach der Jahrhundertwende seine Lorbeeren geerntet hatte, zu einer Zeit, als Adele Sandrock noch die jugendliche Naive spielte. Vor mehr als dreißig Jahren war er von den Brettern abgetreten.
    „Dann gehst du heute nachmittag nicht zu ihm?“
    „Ich weiß überhaupt nicht“, murmelte er unlustig, „ob es für mich Zweck hat, den Unterricht bei ihm fortzusetzen. Manchmal habe ich das Gefühl, ich tue es mehr seinetwegen als meinetwegen. Stell dir nur einmal vor, neulich — er als Ophelia, ich als Hamlet — da hat er zum Schluß einen von seinen ollen Kränzen von der Wand genommen und mir um die Schultern gehängt. ,Das, jonger Frreund, war eine prrächtige Leistung, die zu den schönnsten Hoffnungen berechtigt!“ — Weißt du, mit dem stachligen Ding um den Hals stand ich da und war so verlegen, daß ich schwitzte. .Errfüllung des Rraums durch Stimme und Bewegung“ — predigt er mir. ,Matkowski hätten Sie sehen müssen, jonger Mann, damals, als ich die Ehre hatte, im Thalia-Theater zu Hamburg den Franz Moor zu kreieren, während mein großer, unvergeßlicher Kollege den Karl darstellte. Darstellte! — Lebte! — Mehr noch: Dahindonnerte! Ein Vulkan, ein berstender Vesuv...!“
    Christa platzte heraus, Werner kopierte den Alten fabelhaft.
    „Du hast leicht lachen“, sagte er ziemlich resigniert und räumte einen Tellerstapel ins Büfett ein, „aber so ist er, und so etwas wie sich selber möchte er aus mir machen. Ich glaube, die Theaterleute, denen ich mal vorsprechen müßte, bekämen Lachkrämpfe...“
    „Aber sprechen hast du bei ihm gelernt, das mußt du doch zugeben!“
    „Mein Gott, ja, — aber ich ziehe ja auch immer die Bremse an, wenn ich dir vorspreche. — Was mich noch am meisten bei ihm hält, ist, daß er noch immer gute Verbindungen zur Bühne hat. Ich möchte bloß wissen, woher, denn seine Generation ist doch längst ausgestorben. Aber er korrespondiert mit Gott und der Welt und hat mir allen Ernstes versichert, daß er mir ein Engagement verschaffen würde..
    „Und würdest du es annehmen?“ fragte Christa erregt. „Ich weiß es nicht“, murmelte er, „wenn es nach mir allein ginge, sofort! Aber ich fürchte, daß mir unser Wilhelm den Kragen umdrehen würde.“
    „Das fürchte ich auch.“ Christa ließ das Spülwasser ablaufen und hängte die nassen Handtücher über das Trockengestell. Sie hatte es eilig, aus dem Haus zu kommen, um Martha etwas zum Essen zu besorgen und ins Geschäft zu bringen.
    „Ich komme mit dir, ich habe auch noch etwas zu erledigen. — Die Sache mit den künstlichen Augen war eine aufgelegte Pleite. Aber ich habe jetzt etwas anderes, und das haut hin. Ich muß nur mal aufs Stadtsteueramt…“
    „Was hast du mit dem Stadtsteueramt zu tun?“
    „Ich brauche die Adressen von Hundebesitzern.“
    „Ich verstehe kein Wort..
    Werner griff in die Brusttasche und holte einen Katalog hervor: „Hundeartikel, das ist die Masche!“
    „Das hast du bis jetzt noch jedesmal gesagt..
    „Aber dieses Mal stimmt’s! Denn am leichtesten geben die Menschen noch Geld für ihre Liebhabereien aus, und was ein richtiger Hundenarr ist, dem ist für seinen Harras oder Treff nichts zu teuer. Ich bin zu Leuten gekommen, da möchte ich lieber Hund als Kind sein. Bitte, in den letzten drei Tagen habe ich ein Dutzend Halsbänder und Leinen, zwanzig Gummiknochen, zwei Regendecken, einen kompletten Korb und fünf Trimmesser verkauft. Und wenn überhaupt nichts ging, dann bin ich wenigstens ein Streupulver für die Flöhe losgeworden. Weiß du, einen toten Floh habe ich immer unterm Nagel... Das ist ein erstklassiger Trick. Ob du es glaubst oder nicht, aber in diesen drei Tagen habe ich einen tollen Umsatz gemacht.“
    Christa sagte nichts, sie bewunderte ihn nur, und der Trick mit dem toten Floh unterm Fingernagel verschlug ihr einfach die Sprache.
    Er ging langsam, und sie hatte keine Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Wer es nicht wußte, hätte ihr leichtes Hinken für die Folgen einer unbedeutenden

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