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Die indische Erbschaft

Die indische Erbschaft

Titel: Die indische Erbschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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sein!“
    Martha erblaßte und schloß wie betäubt die Augen.
    „Was hast du?“ fragte Charlotte, die ihre Mutter beobachtet hatte, ein wenig ängstlich.
    Martha schob die Karte in ihren Kleidausschnitt und schüttelte den Kopf. Es wäre nichts von Bedeutung, aber sie müsse fort, und sie sollten nicht mit dem Abendessen auf sie warten, falls sie länger ausbliebe.
    Unter anderen Umständen hätte Wilhelm Ströndle solch eine Geheimniskrämerei nicht geduldet, aber er hatte zu viel auf dem Kerbholz, um sich als Herr des Hauses aufspielen zu dürfen.
    Martha fuhr mit heftigen Stößen in die Ärmel ihres gelben Popelinmantels, stülpte die braune Kappe über die Haare und stürzte aus dem Hause. Hinter den Verkaufstischen von Gebrüder Sebald pflanzte es sich wie ein Lauffeuer fort, daß sie im Hause sei, und zahllose Blicke folgten ihr, als sie durch die Glastür trat, die die Verkaufsräume von den Kontoren der Firma trennte. Die Hauptkontoristin, Fräulein Alwine Firnekaes, in Marthas Alter und mit ihr zusammen bei Gebrüder Sebald als Lehrling eingetreten, stürzte ihr entgegen: „Martha, du? Du erlaubst doch, daß ich auch jetzt noch du zu dir sage, wie? Oh, wir sind alle ganz durcheinander! Dieses Glück! Dieses unfaßbare Glück! Es ist wie im Märchen! Zweihundert Millionen! Und Diamanten wie Hühnereier, nein, nein, nein!“ Sie schlug die Hände über dem Kopf zusammen und starrte Frau Martha durch die dicken Gläser ihrer Brille wie eine überirdische Erscheinung an...
    „Sei so gut, Alwine, und melde mich beim Chef...“
    „Natürlich, sofort!“ Fräulein Firnekaes gab einem Lehrmädchen einen Wink: „Nun mach schon den Mund zu, dummes Ding, und schick dich! Hörst du nicht? Frau Ströndle wünscht den Chef zu sprechen!“
    Die Kleine stürzte davon, daß der schwarze Kittel flog. „Nicht doch, Alwine!“ flehte Frau Martha, „es hat doch Zeit, ich kann doch warten!“
    „Warten?“ rief Fräulein Firnekaes fast höhnisch, „na Gott sei Dank, das hast du nicht mehr nötig!“
    Der Chef des Hauses schien der gleichen Meinung zu sein, denn das Lehrmädel kam schon zurück, knickste ehrfurchtsvoll und bestellte, Herr Reiser lasse bitten. Philipp Reiser war ein graumelierter Fünfziger mit musikalischen Passionen; besonders die Novizen am Stadttheater schätzten ihn als Mäzen. Er eilte Martha bis zur Tür entgegen und ruhte nicht eher, als bis sie in dem Sessel vor seinem Schreibtisch Platz genommen hatte. Ja, er sorgte sogar dafür, daß das Kissen in ihrem Rücken bequem lag, dann erst nahm er ihr gegenüber in seinem lederbezogenen Polsterstuhl Platz.
    „Charmant, charmant“, sagte er heiter, „wirklich ein reizender Scherz von Ihnen, verehrte gnädige Frau, daß Sie sich bei mir um eine Halbtagsstellung bemüht haben...“
    „Es war kein Scherz, Herr Reiser!“ rief sie verzweifelt, „es war mein voller Ernst, und es bleibt mein voller Ernst! Verstehen Sie mich bitte, diese Millionenerbschaft hängt doch sozusagen noch im Mond...!“
    „Das ist doch im Zeitalter der Weltraumraketen kein Problem mehr, gnädige Frau!“
    „Es können noch Monate und Jahre vergehen!“ begann sie wieder einmal, und dieses Mal stiegen ihr die Tränen wirklich in die Augen.
    „Natürlich“, gab er liebenswürdig zu, „ich kenne durch die Informationen, die Sie der Presse gegeben haben, Ihre Lage sehr genau. Es kann geschehen, daß Sie noch einige Schwierigkeiten haben werden — aber an der Sache selbst besteht doch wohl kein Zweifel, wie?“
    „Nein, das hat schon alles seine Richtigkeit. Dieser Ströndle ist tatsächlich der Urgroßvater meines Mennes...“
    „Na also!“ rief Herr Reiser tiefbefriedigt, als sei ein Alpdruck von seiner Seele genommen, und warf einen diskreten Blick auf seine Armbanduhr, „und womit darf ich Ihnen nun dienen, gnädige Frau?“
    Martha nahm noch einmal einen Anlauf: „Mein Mann hat seine Stellung aufgegeben...“
    Herr Reiser nickte verständnisvoll. Wilhelm Ströndle hatte nur das getan, was er an seiner Stelle auch getan hätte.
    „Aber wir müssen doch von irgend etwas leben!“
    Herr Reiser öffnete die Mittelschublade seines Schreibtischs, zog sein Scheckbuch hervor und griff nach dem Federhalter: „Wieviel brauchen Sie, gnädige Frau? Sagen Sie es mir ruhig — Sie sind mir für jede Summe gut.“
    „Nein, nein“, stammelte sie, „so war es nicht gemeint! Ich brauche kein Geld, ich will arbeiten, ich möchte nichts als die Stellung haben, die Sie mir

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