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Die indische Erbschaft

Die indische Erbschaft

Titel: Die indische Erbschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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freundlicherweise angeboten haben! Und bitte, Herr Reiser, nennen Sie mich nicht länger gnädige Frau! Ich kann es nicht mehr hören!“
    Herr Reiser sah sie verblüfft an, er brauchte tatsächlich Sekunden, um es zu begreifen und um sich zu fassen. Er zog ein Taschentuch aus der Brusttasche und betupfte sich die Mundwinkel, er fuhr auch über seine Stirn, als stände er vor einem Problem, das ihm warm machte. „Verzeihen Sie, verehrte Frau Ströndle“, sagte er schließlich ein wenig hilflos und verlegen, „aber das geht nicht, das geht leider auf keinen Fall, das kann ich Ihnen nicht antun, und das kann ich auch mir nicht antun. Millionärin hinterm Ladentisch... ich sehe so eine oder eine ähnliche Schlagzeile schon im ,Nacht-Expreß’... und diese Sensation möchte ich Ihnen und mir ersparen. — Sie brauchen Geld, liebe Frau Ströndle, darum dreht es sich doch, — und ich kann nicht mehr tun, als Sie zu bitten, über mich im Rahmen meiner Mittel zu verfügen. Sie brauchen nicht bescheiden zu sein...“
    Martha erhob sich, sie brauchte einen erheblichen Kraftaufwand dazu, um aus dem tiefen Sessel auf die Beine zu kommen. „Ich danke Ihnen, Herr Reiser, — Sie waren sehr freundlich zu mir... aber ich kann und ich darf von Ihrem Angebot keinen Gebrauch machen.“
    Er hob ehrlich bedauernd die Schultern: „Auf jeden Fall wissen Sie, daß ich Ihnen jederzeit zur Verfügung stehe, liebe gnädige Frau, — Sie zucken zusammen, aber Sie werden sich auch daran gewöhnen müssen. Leider gibt es kein Lehrbuch für Millionäre.“
    Er öffnete ihr die Tür und begleitete sie durch die Kontor- und Geschäftsräume bis zu der großen Schwingtür, die auf den Marktplatz führte. Hunderte von Blicken folgten ihnen, und die Kunden, die es noch nicht wußten, erfuhren es von den Verkäuferinnen, wer die weder elegante noch junge Frau war, von der sich der Chef verabschiedete, als wäre sie die Königin von England und als spekuliere er auf den Titel eines Hoflieferanten.
    Martha ging nach Hause, sie schleppte sich mit bleischweren Füßen voran. Beim Überqueren des Marktes wäre sie beinahe von einem Auto überfahren worden. Die Bremsen kreischten, der Fahrer brüllte sie an, ein Menschenauflauf bildete sich, sie entfloh und hatte nur einen Wunsch, sich auf ihr Bett zu werfen und nichts mehr zu sehen und nichts mehr zu hören.
    Dieses Mal war es ein Wagen, der vor dem Hause stand. Hinter den Gardinen des Wohnzimmers blitzte es wieder. Die Fenster in der Nachbarschaft waren besetzt, als käme in der nächsten Minute ein Zirkusumzug um die Ecke, und überall reckten sich Köpfe aus den Fenstern, die ihr entgegen- und nachstarrten. Sie spürte die Blicke wie Stiche auf der Haut und war froh, als sie die Haustür endlich hinter sich zuwerfen konnte. Am liebsten hätte sie sich unbemerkt ins Schlafzimmer verdrückt, aber Werner kam ihr entgegen und begrüßte sie mit einem Heben der Schultern: „Es ist nichts zu machen, Mama, es sind zwei Herren vom ,Stadtanzeiger ’ , der Lokalredakteur und ein Bildberichter, aber ruhige und vernünftige Leute. Ich bitte dich um alles in der Welt, mach keinen Wirbel, — es hat ja doch keinen Zweck.“
    Sie schüttelte den Kopf, nein, sie hatte keine Absicht, einen „Wirbel“ zu machen, sie hatte nur den Wunsch, in Ruhe und zufrieden gelassen zu werden.

    „Das Affentheater habe ich zum letztenmal mitgemacht!“ knurrte Wilhelm Ströndle erbittert. Er hatte von der Tagesration die fünfte und letzte Zigarette bereits geraucht und wagte es nach dem gestrigen Exzeß nicht, Martha um einen Vorschuß anzugehen. Er hätte auch kein Glück bei ihr gehabt. Am meisten aber bedrückte ihn doch seine Untätigkeit, und wenn er es auch niemals zugegeben hätte, so begann er insgeheim doch, seinen übereilten Schritt zu verfluchen. Auch Charlotte machte ein bedrücktes Gesicht. Sie hatte es sich ziemlich einfach vorgestellt und geglaubt, die Nachbarsfrauen und Bekannten würden sie wie früher mit Aufträgen überlaufen. Aber nichts rührte sich, die Millionen machten ihr einen Strich durch die Rechnung.
    Zum Abendessen gab es für jeden einen Brathering und Röstkartoffeln. Die Dose, aus der Martha die Heringe herausfischte, war so groß, daß sie wußten, allzu abwechslungsreich würden die Abendessen bis zum Wochenende nicht werden. Wilhelm Ströndle litt noch immer an den Folgen der ungewohnten Zecherei, Charlotte konnte Bratheringe nicht ausstehen, Werner haßte die ewigen Kartoffeln, aber sie

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