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Die indische Erbschaft

Die indische Erbschaft

Titel: Die indische Erbschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Delikatessen, die Martha zeitlebens unerreichbar gewesen waren und die man ihnen jetzt wie die Äpfel vom Baum der Erkenntnis anbot. Als der Bäcker Zwack ihnen eine Sahnetorte ins Haus schickte, da war es mit Marthas Beherrschung vorbei. Sie bekam einen regelrechten Weinkrampf und mußte von ihren Töchtern ins Bett gebracht werden. Wilhelm Ströndle setzte sich zu ihr auf die Bettkante und versuchte, sie zu beruhigen.
    „Wir können es nicht annehmen!“ schluchzte sie.
    „Zurückschicken können wir es auch nicht!“ sagte er dumpf.
    „Zurückschicken?“ schrie Christa entsetzt auf.
    „Weshalb eigentlich?“ fragte auch Charlotte; „haben wir die Leute aufgefordert, uns das Zeug ins Haus zu bringen? Also bitte!“
    „Lieber Gott!“ jammerte Martha, „versteht ihr denn nicht, was die Leute von uns wollen? Die bilden sich doch ein, daß sich ihre verfluchten Freßkörbe nun tausendmal bezahlt machen werden!“
    „Und wenn schon!“ rief Charlotte resolut, „was geht es uns an, was die sich von uns erwarten?“
    „Ich bin keine Hochstaplerin!“
    „Nananana!“ machte Wilhelm Ströndle und drückte seine Frau sanft auf ihr Kissen zurück, „ich bin auch kein Hochstapler, aber ich sehe wirklich nicht ein, weshalb wir die guten Leute vor den Kopf stoßen sollen. Wenn es ihnen doch Freude macht...“
    „Freude...!“ stöhnte Frau Martha mit rollenden Augen, „das ist doch nichts als Berechnung!“
    „Na schön“, sagte er achselzuckend, „dann ist es eben Berechnung. Und vielleicht ist diese Berechnung nicht einmal falsch. Denn eines Tages, über kurz oder lang...“
    Martha stopfte sich die Finger in die Ohren, so nachdrücklich, daß sie das neuerliche Läuten der Türglocke überhörte. Charlotte warf den anderen einen warnenden Blick zu und ging aus dem Zimmer, um das nächste Präsent entgegenzunehmen, denn um etwas anderes konnte es sich ja kaum handeln. Aber in der Tür stand ihr Chef, Jean Bouterweque, und hielt fünf zarte Rosenknospen in der Hand. Er war ein Mann mit einem markanten Schauspielerkopf und kleidete sich, was er schon seinem Beruf als Modeschöpfer schuldig war, mit ausgesuchter Eleganz; aber er litt unter seiner geringen Größe und versuchte diesen Kummer durch hohe Absätze und Einlagen über den Absätzen zu beheben.
    Der Chef war nur gekommen, um ihr zu sagen, wie tief er es bedaure, von der sensationellen Wendung ihres Schicksals nicht eher erfahren zu haben. Und nun verfolge ihn der Gedanke, daß sie von ihm unter so peinlichen Mißklängen geschieden sei, bis in seine Träume. Sein Salon würde von Damen gestürmt, die nur kämen, um Charlotte zu sehen, und er wage es nicht, ihnen zu sagen, daß er es sei, der sie vertrieben habe.
    „Aber Herr Bouterweque“, stotterte Charlotte immer verwirrt, „Sie haben doch nichts getan, was ich an Ihrer Stelle nicht auch getan hätte. Ich bin doch die Schuldige! Ich verlor die Nerven!“
    Aber er ließ es nicht gelten, als Tochter eines Multimillionärs konnte sie es sich leisten, die Nerven zu verlieren, es gab überhaupt nichts, was sie sich nicht leisten konnte, und wenn sie ihm die Schaufensterscheiben zertrümmert hätte, na schön!
    „So hören Sie doch!“ fuhr sie ihn fast zornig an, „wir haben die Millionen noch nicht! Und auch wenn wir sie hätten, so wüßte ich nicht, was ich den ganzen Tag ohne Beschäftigung anfangen sollte. Das Nichtstun macht mich krank! Ich möchte arbeiten!“
    „Arbeiten?“ rief er verblüfft, „Sie wollen arbeiten?“ Es schien über sein Begriffsvermögen zu gehen, aber als er es dann erfaßt hatte, daß sie zu ihm zurückkehren wollte, schienen ihm Flügel zu wachsen. Es war ihm gleich, wann sie die Arbeit in seinem Salon wieder aufnahm, wenn sie nur überhaupt kam. Und selbstverständlich war der Urlaub, den sie sich genommen hatte, bezahlt, solange sie ihn auch ausdehnen mochte. Und wenn sie etwa Geld brauchen sollte... Er wäre untröstlich, wenn sie sich genieren würde, es ihm zu sagen!
    Charlotte zögerte nicht lange: „Zweihundert Mark würden mir im Augenblick genügen...“
    Mit solch bescheidenen Ansprüchen hatte er nicht gerechnet. Er legte von sich aus hundert dazu und überreichte Charlotte das Geld, als ob er sich entschuldigen müsse. Er flatterte noch einmal mit der Bewegung eines Schmetterlings auf sie zu, deutete eine Umarmung an und entschwebte wie der leibhaftige, nur ein wenig zu kurz geratene Gott der Haute Couture.
    Martha strich die verknitterten Geldscheine

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