Die indische Erbschaft
Liebling.“
„Du packst mir eine schwere Verantwortung auf...“
„Versteh mich nicht falsch — ich will von dir nicht behandelt werden, als ob ich aus Zucker bin. Ich habe keine Angst davor, daß es uns einmal schlecht gehen könnte; aber was wir erleben, will ich mit dir gemeinsam erleben, die trockenen und die fetten Zeiten. Ich will spüren, daß wir füreinander da sind. Das ist alles...“
Aus dem kleinen Besorgungsgang wurden zwei Stunden.
Daheim war inzwischen die Nachmittagspost gekommen. Ein Brief vom Britischen Schatzkanzleramt war dabei, und Wilhelm Ströndle riß den Umschlag hastig auf. Mr. Fullard teilte ihm mit, daß er seinen Besuch mit Vergnügen erwarte und gern bereit sei, ihn mit Rat und Tat zu unterstützen. Der Beschleunigung seiner Sache könne es nützen, wenn er die seinerzeit als Kopien eingereichten Abstammungsunterlagen im Original oder in notariell beglaubigten Abschriften vorlegen würde.
„Der Beschleunigung — hörst du, Martha — der Beschleunigung!“ sagte er aufgeregt. „Es sollte mich gar nicht wundern, wenn ich mit einem Scheck über ein paar Millionen vielleicht schon in wenigen Tagen zurückkomme!“ Er fegte die übrige Post achtlos zur Seite und überließ es Werner, sich über die teilweise komisch dreisten Angebote und Pumpversuche zu amüsieren.
„Lino-Werke?“ fragte Werner plötzlich, „bist du nicht einmal vor dem Kriege für die Lino-Werke gereist?“
„Natürlich, zehn Jahre lang, bis zum Ausbruch des Krieges. Weshalb fragst du danach?“
„Sie schreiben dir...“
„Was? Wollen die mich etwa auch anpumpen?“
„Im Gegenteil, sie wissen von der Erbschaft nichts und bieten dir eine Stellung an.“
„Gib doch mal her!“
Er nahm Werner den Brief aus der Hand und schaute nach der Unterschrift: „Direktor Ollenhaupt — schau einmal an! — er lebt auch noch immer — na, da bin ich aber neugierig, was er von mir will — hört doch einmal zu: Sehr geehrter Herr Ströndle, wir erinnern uns gern der Dienste, die Sie lange Jahre für unsere Firma geleistet haben. Wie Sie aus dem Briefkopf ersehen, haben wir unsere Werke in Mannheim neu aufgebaut und wollen mit der Produktion unserer Artikel im Herbst beginnen. Im Augenblick sind wir dabei, unseren Reisedienst zu organisieren, und möchten Ihnen in Anbetracht unserer langen und erfreulichen Verbindung das Angebot unterbreiten, wieder für unsere Firma zu arbeiten. Wir haben daran gedacht, Ihnen die Generalvertretung für die Bezirke Ober-, Mittel- und Unterfranken anzuvertrauen, und erwarten Ihre Antwort auf unser Angebot baldmöglichst. Sollten Sie prinzipiell mit unserem Vorschlag einverstanden sein, so bitten wir Sie zwecks persönlicher Aussprache um Ihren Besuch. Wir stellen Ihnen in Nürnberg eine Vierzimmerwohnung zur Verfügung. Ihr Gehalt bestände aus einem Fixum von dreitausend DM und einer Umsatzprovision von 1 %. Dienstwagen wird gestellt. Soweit unser Vorschlag, über den wir uns ausführlicher unterhalten können, falls Sie an unserem Angebot interessiert sind...“
Wilhelm Ströndle faltete den Briefbogen zusammen und steckte ihn in den Umschlag zurück: „Wirklich nett vom guten Ollenhaupt, daß er an mich gedacht hat. Ich muß mir einmal überlegen, wen man ihm empfehlen könnte. Erinnere mich daran, Martha, wenn ich aus London zurückkomme. Vielleicht besuche ich ihn einmal. Vielleicht braucht er Kapital...“
Martha hustete, aber ihre Stimme blieb rauh und belegt: „Die Generalvertretung in Nürnberg — das war einmal unser Traum. Besinnst du dich darauf Willi? Kurz vor dem Kriege hofften wir, daß du sie bekommen würdest- und dann wurdest du eingezogen...“
„Vorbei, vorbei, meine Liebe. Sei froh, daß wir diese kleinen Fische jetzt einfach in den Bach zurückwerfen können.“
Er reckte sich empor, wippte auf den Zehenspitzen, wölbte die Brust und schob die Daumen in die Armlöcher der Weste: „Ich muß sagen, es ist schon ein verdammt beruhigendes Gefühl, wenn man weiß, daß man so etwas nicht mehr nötig hat.“
„Wahrscheinlich wären wir glücklicher gewesen, Willi...“
Er schnalzte mit dem Finger. „Als ob es darauf ankommt, glücklich zu sein!“
Charlotte war gerade dabei, den Unterfaden aufzuspulen. Das singende Geräusch, mit dem sich die Gummirolle an dem Schwungrad der Nähmaschine rieb, verstummte plötzlich.
„Worauf kommt es denn sonst an?“ rief sie heftig.
Werner streckte die Beine weit unter den Tisch und starrte seinem Vater mit
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