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Die Indoeuropäer: Herkunft, Sprachen, Kulturen

Die Indoeuropäer: Herkunft, Sprachen, Kulturen

Titel: Die Indoeuropäer: Herkunft, Sprachen, Kulturen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Haarmann
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Vandalen bei den Europäern heute mit «Vandalismus» untrennbar assoziiert werden, hängt mit dem Zorn und dem Abscheu der Vertreter der katholischen Kirche zusammen, die das Schreckensbild der zerstörungswütigen Barbaren ausmalten. Denn angeblich zerstörten sie während ihrer Eroberungszüge in Nordafrika viel Kirchengut; im Jahre 455 landeten sie gar mit ihrer Flotte an der Küste Italiens, eroberten Rom und plünderten die heilige Stadt. Unverzeihlich war auch die Häresie der vandalischen Geistlichkeit, die sich dem Arianismus zuwandte. Ende des 18. Jahrhunderts prägte der französische Bischof Blois Grégoire den Begriff
vandalisme
‹sinnlose, mutwillige Zerstörung›, der von der Académie Française angenommen wurde und sich als «Kulturwort» in den Sprachen Europas verbreitete.
    Slawen. Seit der ersten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. entwickelten sich die slawischen Regionalkulturen. Die Ausgliederung der slawischen Sprachen in einen östlichen, südlichen und in einen westlichen Zweig geht auf das 6. und 7. Jahrhundert n. Chr. zurück. Die ältesten historischen Zeugnisse über die Wohngebiete der Slawen stammen aus der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends unserer Zeitrechnung. Damals siedelten sie noch relativ geschlossen, mit der historischen Landschaft Wolhynien als Kerngebiet, das den mittleren Teil und den Westen der Ukraine sowie angrenzende Teile Polens umfasste. In jener Gegend sind die ältesten slawischen Gewässernamen erhalten. Für die dort ansässige slawische Bevölkerung ist das Urslawische als gemeinsame Frühform aller slawischen Sprachen rekonstruiert worden und in seiner Aussonderung (Lautwandel, Flexionsmorphologie) aus dem Proto-Indoeuropäischen gut beschrieben. Das Urslawische setzt sich nach Beginn der Migrationen fort in die Sprachform der vorliterarischen Periode, das Gemeinslawische, das jedoch als Begriff umstritten ist (Hock 2009: 27).
    Die Benennungen der Slawen in den frühmittelalterlichen Quellen sind nicht einheitlich. Jordanes im 6. Jahrhundert nennt die Sklavenen, Anten und Wenden. Letztere Namensform geht auf die Veneter zurück, eine indoeuropäische Bevölkerungsgruppe, die ursprünglich zwischen Oder und Weichsel siedelte (s. Abb. 13, S. 63) und sich an das Slawentum assimilierte.
    Die Regionen, in die die Slawen vordrangen, waren von nichtslawischen Bevölkerungsgruppen bewohnt. Es kam zu vielfältigen Assimilationsprozessen. Die östlichen Slawen standen mehr als eineinhalb Jahrtausende im Kontakt mit finnisch-ugrischen Völkern. In Mitteleuropa, wo Slawen bis in die Gegend von Lüneburg und Magdeburg migrierten, haben diese sich im Zuge der deutschen Ostkolonisation assimiliert. Das frühere Siedlungsgebiet der Slawen ist dort nurmehr an den alten Ortsnamen zu erkennen (Bardowick, Kücknitz u.a.). Ebenfalls assimiliert hat sich die mittelalterliche slawische Bevölkerung in Ungarn, die im Magyarentum aufging. In Südosteuropa waren assimilatorische Prozesse umgekehrt ausgerichtet, d.h. die bodenständige Bevölkerung (Thraker, Illyrer u.a.) nahm die Sprache der eingewanderten Slawen an, die schon bald die Bevölkerungsmehrheit stellten. Auch die Ostexpansion der östlichen Slawen, insbesondere der Russen, setzte Assimilationsprozesse bei den Nicht-Slawen in Gang, bei Finno-Ugriern und türkischen Völkern. Die finnischen Merja und Muromer sind noch während des Mittelalters vollständig im Russentum aufgegangen.
    Die slawischen Einzelsprachen haben sich seit dem Mittelalter in einem kontinuierlichen Ausgliederungsprozess herausgebildet, der im Prinzip bis heute anhält. Nach ihrer Entstehungszeit kann man ältere Slawinen (z.B. Bulgarisch, Russisch, Tschechisch) von jüngeren Sprachen (z.B. Kroatisch, Slowenisch, Ukrainisch) und alle diese wiederum von modernen Regionalsprachen wie Westpolessisch (westliche Ukraine), Resianisch (italienische Provinz Udine), Russinisch (Ruthenisch; in Serbien, Kroatien, im Südwesten der Ukraine, im Osten der Slowakei usw.) u.a. unterscheiden. Erst in den 1990er Jahren gliederte sich das Mitte des 19. Jahrhunderts normierte Serbokroatische erneut in die Nationalsprachen Serbisch, Kroatisch, Bosnisch aus.
    Gliederung der slawischen Sprachen
Westslawisch: Polnisch, Tschechisch, Slowakisch, Kaschubisch, Sorbisch
Ostslawisch: Russisch, Weißrussisch, Ukrainisch, Russinisch, Westpolessisch
Südslawisch: Serbisch, Kroatisch, Bosnisch, Slowenisch, Bulgarisch, Makedonisch, Resianisch, Molise-Kroatisch u.a.
    Die

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