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Die Indoeuropäer: Herkunft, Sprachen, Kulturen

Die Indoeuropäer: Herkunft, Sprachen, Kulturen

Titel: Die Indoeuropäer: Herkunft, Sprachen, Kulturen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Haarmann
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Hochland und nach Osten in die fruchtbare Ebene des Industals. Seit dem ausgehenden 3. Jahrtausend v. Chr. bestanden rege Handelskontakte zwischen der nördlichen Steppe (südöstlich des Ural) mit ihren Kupfervorkommen und Mesopotamien.In einem Keilschrifttext aus Ur, der in die Zeit der Regentschaft Rim-Sins von Larsa (reg. 1822–1763 v. Chr.) datiert, wird der Empfang von rund 20 Tonnen Kupfer aus dem Norden verzeichnet.
    Die Geschichte Zentralasiens ist in jener Zeit mit dem ältesten sprachlich-kulturellen Komplex des Indoeuropäertums verknüpft, der sich aus dem proto-indoeuropäischen Kontinuum ausgliederte, nämlich dem der Arier. Von ihrer Selbstbezeichnung
Arya
leiten sich die Fremdbenennungen in anderen Sprachen ab (engl.
Aryans,
französ.
Aryens).
Die Vorgeschichte der Indo-Arier beginnt um 2800 v. Chr. in der Steppenregion Südrusslands und im nördlichen Vorland des Kaukasus. Dort hatte sich um jene Zeit ein regionaler Kulturkomplex der Indoeuropäer ausgebildet, der sich archäologisch als Katakombengräberkultur (Catacomb Grave Culture) charakterisieren lässt. Die Träger dieser Kultur, die Proto-Arier, waren Viehnomaden. Die herausragenden Erkennungsmerkmale ihrer Kultur waren die Verwendung von Pferden und von Wagen. Die technische Innovation des Wagens als Transportfahrzeug mit vier Rädern hatte sich im 3. Jahrtausend v. Chr. rasch von ihrem Ursprungsgebiet in der östlichen Ukraine über die südrussische Steppe und nach Zentralasien verbreitet (s. Kap. 3; s.u. zum zweirädrigen Streitwagen).
    Die Proto-Arier standen im Kontakt mit den Uraliern in der Waldzone Nordeuropas. Zu den alten proto-arischen Lehnwörtern in den finnisch-ugrischen Sprachen gehören u.a. die Bezeichnung für ‹Hammer(axt)› (vgl. finn.
vasara
) und das Zahlwort für ‹100› (vgl. finn.
sata,
ungar.
száz
versus Sanskrit
śatám;
Lehtinen 2007: 210).
    Um die Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. verschlechterte sich das Klima in der zentralasiatischen Steppe, die Niederschläge nahmen ab, dafür wurde es deutlich kälter. Dieser Teil des Steppengürtels war schon seit dem Ende der Eiszeit regenärmer als die südrussische Steppe. Um 2000 v. Chr. erreichte die Austrocknung einen Höhepunkt (Anthony 2007: 389f.). In jener Zeit drängten die Nomaden nach Süden ins iranische Hochland und nach Osten. Als Folge dieser langfristigen Migrationsbewegungengliederte sich um 2000 v. Chr. der proto-arische Komplex weiter aus in einen westlichen Komplex – das Iranische – und in einen östlichen Komplex – das Indo-Arische bzw. Indische.
Die Arier: Von Zentralasien nach Iran und Indien
    Die nach Osten abwandernden Nomaden gelangten über die Kulturlandschaften der Margiana und Baktriens bis nach Indien, wo sie seit ihrer Immigration im 17. Jahrhundert v. Chr. als Indo-Arier bekannt sind. Diese «Neuinder», die vor allem den Norden Indiens bevölkerten, drängten die vorindoeuropäische Bevölkerung nach Süden und Osten ab. Dies waren die Draviden und die Adivasi, die Ureinwohner. Einige Gruppen von Ariern zogen in den Süden, bis an den Euphrat. Diese Kriegerkaste bildete die herrschende Elite des Reiches von Mitanni, das zwischen 1500 und 1350 v. Chr. im nördlichen Mesopotamien bestand und sich im Euphratbogen ausdehnte. Diese arische Elite führte eine Neuerung in die Kriegsführung des Mittleren Orients ein, den zweirädrigen Streitwagen. Die ältesten Funde von Resten solcher Wagen stammen aus dem Gebiet zwischen dem südlichen Ural und dem Kaspischen Meer und datieren in die Zeit um 2000 v. Chr. In jener Gegend ist mit der frühen Adaption des Wagens für militärische Zwecke zu rechnen. Die von den Mitanni verwendeten Namen (z.B. Artatama, Parrattarna, Shuttarna) zeigen arische Prägung (Kuhrt 1995: 283ff.). Deren Sprachform wird Mitanni-Indisch genannt.
    Es sind viele Hypothesen aufgestellt worden, was die arischen Viehnomaden motiviert haben mag, nach Indien einzuwandern. Dass sie noch ihrer nomadischen Lebensweise verpflichtet waren, als sie nach Indien kamen, geht aus den Berichten späterer Zeit über die Ära der Einwanderung hervor. Auch lassen die historischen Quellen erkennen, dass die Arier kein einheitliches Volk waren, sondern eher disparate nomadische Gruppen, die sich allerdings in sprachlich-kultureller Hinsicht ähnlich waren. Die Erkenntnisse der Archäologie und historischen Sprachwissenschaft verdichten sich inzwischen zu einem Gesamtbild, das erheblich von der heroischen

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