Die Indoeuropäer: Herkunft, Sprachen, Kulturen
blieb, sind nur spärliche Zeugnisse überliefert. Dazu gehören etwa 200 Einzelwörter, außerdem Namen von Personen und Gottheiten, die sich in griechischen Quellen finden. Einzelne Lehnwörter skythischer Provenienz finden sich im Russischen und Ukrainischen, z.B. russ.
sapog
‹Stiefel›,
topor
‹Axt›.
Die materielle Kultur der Skythen, vor allem die der aristokratischen Elite, ist uns aus den reichen Beigaben der zahlreichenGrabhügel (Kurgane) bekannt (s. Abb. 17). Ins 5. bis 3. Jahrhundert v. Chr. datieren die Aufsehen erregenden Funde der Kurgane von Pazyryk im Altai-Gebirge. Da diese Grabhügel in der Permafrostzone liegen, sind sämtliche organischen Materialien (Seide und Teppiche, Pelze und Lederapplikationen) bestens konserviert. Außerdem sind Mumien einbalsamierter Leichname erhalten, die Körpertattoos aufweisen. Sowohl diese Bemalungen als auch die Ornamente und Verzierungen auf den Holzsarkophagen zeigen deutlich einen typisch skythischen Tierstil. Die Ornamente auf den Textilien und Grabbeigaben der Pazyryk-Gräber lassen auffallende Ähnlichkeiten mit den figuralen Motiven auf den Textilien der Mumien im westchinesischen Ürümchi erkennen (s. Kap. 6).
Indo-arische Sprachen. Zur Zeit seines Transfers nach Indien unterschied sich das Altindische noch wenig von dem nah verwandten Iranischen. Die früheste Manifestation des Altindischen ist das Vedische, und dies ist eine archaische Form des Sanskrit. Es gehört wie das Hethitische, Mykenisch-Griechische und Avestische zu den ältesten indoeuropäischen Schriftsprachen. Als gesprochene Sprache wurde es mit den arischen Einwanderern im 17. Jahrhundert v. Chr. in den Nordwesten Indiens transferiert und verbreitete sich später in ganz Nordindien. Seit der zweiten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. wurde die vedische Schriftsprache vom kodifizierten Sanskrit abgelöst (s.u.). Als Muttersprache kam Sanskrit bereits vor der Zeitenwende außer Gebrauch. Während es als Schriftsprache konserviert wurde, entwickelte sich die gesprochene Sprache weiter zu den Varianten des Prakrit (von altind.
prakrta-
‹natürlich; ungeschliffen›).
Prakrit ist somit ein Sammelname für lokale Sprachvarianten der mittelindischen Sprachperiode (seit dem 6. Jh. v. Chr.), die sich vor allem aufgrund lautlicher Kriterien voneinander unterscheiden. Der Wandel vom Altindischen zum Mittelindischen zeigt sich vor allem in einer Vereinfachung des Flexionssystems, in der Assimilation von Konsonantengruppen und teilweise im Schwund intervokalischer Konsonanten. Die jüngste der Prakrit-Variantenist das Apabhramsa, das entwicklungsmäßig zwischen den mittelindischen und den neuindischen Sprachen steht. Aus dem mittelindischen Kontinuum (ca. 600 v. Chr. – ca. 1000 n. Chr.) der Prakrit-Sprachen Nordindiens haben sich die modernen indischen Sprachen herausgebildet.
Inschriften in den verschiedenen Prakrit-Varianten sind aus der Zeit zwischen dem 3. Jahrhundert v. Chr. und dem 4. Jahrhundert n.Chr. überliefert. Ashoka (reg.: 273–232 v. Chr.), Herrscher der Maurya-Dynastie in Indien, wählte die zeitgenössischen Sprachvarianten als offizielle Schriftmedien und lehnte gleichzeitig die damalige Hochsprache, das archaisierende Sanskrit, ab. Die berühmten Edikte des Ashoka sind in zahlreichen lokalen Prakrit-Varianten verfasst. Amtssprachliche Funktion übernahm das Prakrit auch später, im 3. Jahrhundert n. Chr. in Zentralasien (Nija-Prakrit). In gesprochener Form kamen die Prakrit-Sprachen um die Jahrtausendwende außer Gebrauch. In der Spätzeit der schriftlichen Verwendung von Prakrit-Varianten verloren diese an Prestige.
Die verbreitetste Form des Prakrit ist das Pali – ursprünglich keine Bezeichnung für eine Sprache, sondern für ein Textgenre, und zwar
Pali-bhasa
‹kanonischer buddhistischer Text›. Die Sprachform, in der die Texte des Theravada-Buddhismus verfasst sind, wird verallgemeinernd Pali genannt. Hauptverbreitungsgebiete dieser Kultursprache waren schon vor der Zeitenwende Sri Lanka (das historische Ceylon), dann Myanmar (das historische Burma), ab 1000 n. Chr. auch Thailand (das historische Siam), Kampuchea (Kambodscha) und Laos. In gesprochener Form wurde Pali seit etwa 500 v. Chr. verwendet. Damals bildete sich die buddhistische Tradition heraus, die jahrhundertelang – wie die ältere hinduistische in Sanskrit – mündlich überliefert wurde. Seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. wurde Pali auch als Schriftmedium
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