Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
Vom Netzwerk:
aufeinander. Die Graswurzeln müßten verhindern, daß sie auseinanderfallen. Das müßte doch gehen, oder?«
    Damienne dachte einen Moment darüber nach, dann sagte sie: »Manchmal wirst du mir beinahe unheimlich, Marguerite.« Aber sie sagte es mit einem Lächeln.
    Am nächsten Morgen probierten sie es gleich aus. Mit dem Messer stachen sie schmale, tiefe Soden aus, dann wässerten sie sie und setzten sie übereinander. Es war eine ziemlich matschige Angelegenheit - aber es funktionierte, und allein darauf kam es an. Es war eine elende Schinderei, all die nassen Soden vom Bach zur Hütte zu schleppen, aber hatten sie eine andere Wahl? Außerdem hatte das auch Vorteile. Abends waren sie meist so erledigt, daß sie tief und traumlos schliefen - und auch die unheimliche Stimme erreichte sie nicht mehr. Oder sie waren viel zu müde, um darauf zu achten.
    Neben dem Bau ihrer Hütte durften natürlich andere Dinge nicht vernachlässigt werden. Sie mußten weiterhin die Salinen kontrollieren, Feuerholz sammeln und, als von dem Elch nichts mehr übrig war, wieder Fische und Krebse fangen. Sie würden eines Tages auch wieder jagen gehen, doch im Augenblick hatten sie keine Zeit für die Pirsch.
    Eines Morgens waren Marguerite und Henri auf dem Heimweg von der Salzernte am Strand. Sie gingen Hand in Hand und nicht besonders schnell. Sie hatten es beide nicht sehr eilig, wieder zu der harten körperlichen Arbeit - und unter Damiennes Fuchtel - zurückzukommen.
    »Ist es nicht unfaßbar - sie scheint niemals müde zu werden«, sagte Marguerite.
    »Ja, ich frage mich manchmal, ob das mit rechten Dingen zugeht«, sagte Henri.
    Jemand lachte.
    »Lachst du über mich?«, fragte Henri.
    »Ich habe nicht ...«, begann Marguerite - und verstummte.
    Da war es wieder: das seltsam kehlige Lachen der Dämonen, am hellichten Tag und ganz in der Nähe.
    Sie blieben stehen. Henri legte einen Finger an die Lippen, zum Zeichen, daß sie leise sein mußten. Er kniete sich ins Gras und holte den Feuerstein aus der Tasche. Marguerite bekreuzigte sich. Wieder lachte jemand. Es schien aus einem Gebüsch ganz in der Nähe zu kommen. Ein anderes Lachen, weiter rechts, antwortete. Es waren also mindestens zwei - und sie hatten nur eine Arkebuse! Marguerite schickte ein stummes Gebet zum Himmel.
    Henri entzündete die Lunte. Er hob die Büchse in den Anschlag und suchte nach den Dämonen, die sie auslachten. Dann sah Marguerite eine Bewegung im hohen Gras. Henri sah sie auch. Jemand - oder etwas - schlich sich an! Henri spannte den Hahn.
    Dann trat etwas aus dem Gras hervor - und Marguerite sah zum zweiten Mal in ihrem Leben einen jener eigenartigen Vögel, von denen Kapitän de Sauveterre von seinem Besuch auf der Insel einen mit zurück an Bord der Anne gebracht hatte - einen Truthahn.
    »Schieß doch!«, rief sie geistesgegenwärtig dem verdutzten Henri zu.
    Der schüttelte kurz und verwundert den Kopf und dann schoß er.
    Der Truthahn war weniger als fünf Schritte entfernt und hatte keine Chance. Wie Donner hallte der Schuß und weitere Truthähne flogen mit ängstlichen, kehligen Lauten davon. Marguerite erschrak. Dann fiel sie ins Gras und lachte: »Und davor haben wir uns gefürchtet?« Sie konnte es einfach nicht fassen.
    Henri hob den Vogel auf, dann ließ er sich neben ihr ins Gras fallen. Er schüttelte immer noch den Kopf, aber dann lachte auch er.
    An diesem Abend stellten sie fest, daß Dämonenhühner - so hatte Marguerite sie getauft - ganz vortrefflich schmeckten.
    Die Hütte indes wuchs zwar langsam, aber sie wuchs. Tag um Tag schichteten sie die Sodenmauern höher auf. Einmal mußten sie allerdings ein Stück wieder einreißen, denn sie hatten vergessen, ein Fensterloch frei zu lassen. Aber es ging insgesamt so gut voran, daß sie darüber sogar wieder fröhlich miteinander scherzten. Inzwischen war es Ende Juni, aber der Sommer gab sich an den meisten Tagen sehr kühl. Manchmal waren die Nächte so kalt, daß sie in ihrer Laubhütte sogar froren.
    »Das hat den Vorteil, daß man bei der Arbeit nicht so schwitzt«, sagte Damienne.
    Kaum gesagt, wurde es drückend heiß, und die Insel hielt eine neue Plage für sie bereit: Mücken. Große Mengen von Stechmücken schwärmten über ihre Wiese und ließen sie nachts kaum schlafen. Es war nicht so schlimm wie am See - den sie ja sogar Mückensee getauft hatten -, aber enorm lästig, vor allem wenn sie versuchten, mit nassen Stücken Erde ein Haus zu bauen. Die Feuchtigkeit schien die

Weitere Kostenlose Bücher