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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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nur an Mademoiselle Marguerite direkt zu übergeben. Der Inhalt ist ein wenig delikat, wenn Ihr versteht.«
    »Eure Anweisungen haben sich soeben geändert, Herr Soldat. Gebt mir den Brief, ich übergebe ihn!«
    »Madame, das kann ich leider nicht tun. Und nun entschuldigt mich, ich muß zu Mademoiselle. Einen schönen Tag.«
    Mit einem Schnalzen der Zunge setzte Victor Hermès sein Pferd wieder in Bewegung. Damienne wartete, bis er einige Meter entfernt war, dann rief sie ihm hinterher.
    »Wenn Ihr mir den Brief nicht geben wollt, dann freut sich sicher Monsieur de Roberval über Post am frühen Morgen.«
    Der Korporal riß sein Pferd herum. »Er ist wieder da?«
    »Seit gestern Abend«, sagte Damienne und streckte die Hand aus.
    Der Bote zögerte, dann griff er in die Tasche. »Und Ihr werdet Mademoiselle den Brief übergeben?«
    »Mein Wort drauf, Herr Korporal, ausnahmsweise spiele ich einmal den Boten. Allein schon, weil ich davon ausgehe, daß es das erste und letzte Mal ist.«
    »Was meint Ihr?«
    »Glaubt Ihr, ich habe nichts Besseres zu tun, als hier im Schneetreiben auf Euch zu warten? Was, wenn Monsieur de Roberval uns hier draußen erwischt? Habt Ihr eine Vorstellung davon, was er mit Fourraine, mit seiner Nichte, mit mir und auch mit Euch macht, wenn er von dieser unseligen Geschichte erfährt? Nein, Herr Korporal, das muß aufhören! Sagt das Eurem Freund! Bis jetzt sind es nur Briefe. Noch ist nichts geschehen. Dabei soll es bleiben. Oder will er Mademoiselle ins Unglück stürzen? Er soll sie sich aus dem Kopf schlagen, ein für alle Mal, bestellt ihm das von mir! Wie soll denn das gehen - ein kleiner Leutnant und die
    Nichte des Vizekönigs? Er soll endlich Vernunft annehmen und die Geschichte beenden. Richtet ihm das aus, Monsieur!«
    Der Korporal war nachdenklich geworden. Schweigend überreichte er Damienne den Brief. Zu ihrem Ärger war er, genau wie die Briefe zuvor, sorgfältig versiegelt. Sie steckte ihn in ihr Mieder und zog das ebenfalls versiegelte Schreiben Marguerites hervor. Sie drückte es dem Korporal in die Hand und hielt ihn dann am Arm fest: »Werdet Ihr ihm sagen, was ich Euch aufgetragen habe?«
    »Das werde ich, Madame, denn Ihr habt recht: Die ganze Sache ist nicht sehr vernünftig.«
    Er nahm die Zügel auf.
    »Nur leider«, fuhr er fort, »geht es hier nicht um Vernunft« - er lächelte -, »hier geht es um Liebe.«
    Dann gab er seinem Pferd die Sporen und sprengte davon. Damienne blieb empört zurück. Sie war es nicht gewohnt, daß jemand anderes das letzte Wort hatte. »Liebe«, grollte sie auf dem Heimweg. »Was die jungen Leute sich so denken. Nun, man wird sehen. Wie sagt das Sprichwort: Aus den Augen, aus dem Sinn!«
    Als sie heimlich, still und leise die Halle durchqueren wollte, traf sie, wie es das Unglück wollte, auf de Roberval.
    »Guten Morgen, Monsieur.«
    »Guten Morgen, Madame Lafleur. Nanu, bei dem Wetter draußen unterwegs?«
    »Ich war in der Kirche, zur Beichte, Monsieur.«
    De Roberval runzelte die Stirn: »Sie sollten das Kirchendach reparieren, scheint mir. Ihr seid ja vollkommen durchnäßt.«
    »Ich war noch ein wenig ... spazieren, Monsieur«, sagte Damienne, »und mit Eurer Erlaubnis würde ich mich jetzt gerne zurückziehen und ein paar trockene Sachen anziehen.«
    Mit einem schnellen Knicks beendete Damienne die Unterredung und eilte nach oben.
    De Roberval blickte ihr nach und schüttelte den Kopf. »Dieses normannische Weib wird immer närrischer«, murmelte er, und wieder einmal fragte er sich, ob sie wirklich der richtige Umgang für seine Nichte war.
    Inzwischen traf de Roberval weitere Vorkehrungen für die Reise. Die finanziellen Sorgen lagen hinter ihm - die Piraterie war ein einträgliches Geschäft, wenn auch nicht ganz ungefährlich. Jetzt konnte er sich wieder mit ganzer Kraft der Gründung des neuen Frankreich widmen.
    Cartier war inzwischen seit acht Monaten fort. Es gab noch immer keine Nachricht, wie es ihm ergangen war. Der Weg war lang und gefährlich. Geriet die Flotte in einen Sturm, dann konnte sie mit Mann und Maus versinken. So war es vermutlich Cabot ergangen. Auf seiner ersten Expedition unter englischer Flagge war der Italiener, der von Haus aus Caboto hieß, mit einem einzigen Schiff aufgebrochen und hatte die Insel Baccalaos entdeckt. »Neufundland« hatte er sie getauft. Seine zweite Reise hatte er mit fünf Schiffen angetreten - aber nur ein Schiff war zurückgekehrt. Von Cabot und dem Rest der Flotte hatte man nie

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