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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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lassen. Hört Ihr?«
    Aber der Korporal hörte es nicht. Er war schon in der Menge verschwunden.
    Damienne versteckte den Umschlag schnell unter ihrem wollenen Umhang.
    Auf dem Heimweg stapften die beiden Frauen schweigend durch den Schneematsch der engen Gassen. Marguerite war nicht nach Reden zumute. Wie lange schon hatte sie nichts von Henri gehört. Auch Damienne war nicht nach Reden - sie kämpfte mit sich. Sollte sie das Schreiben wegwerfen oder an Marguerite weitergeben? Es wäre besser, sie würde es vernichten. Sie konnte es unauffällig im Ofen der Küche verbrennen. Marguerite würde es nie erfahren - und vielleicht würde sie den Leutnant doch noch vergessen. Es konnte leicht noch bis zum Frühling dauern, bis sie sich wieder einmal begegneten. Also: Verbrennen! Andererseits ... Irgendwann würden sich die beiden wieder begegnen. Egal wie es dann zwischen ihnen stünde, die Sprache käme sicher auf den Weihnachtsbrief - und dann? Dann würde sie eben alles abstreiten und den Leutnant als Lügner darstellen. Das konnte sie gut. Es würde also gleich ein schönes Feuerchen geben. Dumm nur, daß es einen Zeugen gab. Daß der Leutnant seine Briefe auch nicht selbst übergeben konnte! Damienne seufzte. Sie würde für alle Zeiten das Vertrauen von Marguerite verlieren. Ein großes Opfer! Wenn sie gewußt hätte, daß dies ausreichen würde, um die beiden für immer zu trennen, hätte sie es vielleicht getan. Aber es war eben nicht sicher. Außerdem - was mochte in dem Schreiben stehen? Vielleicht war es ein Abschiedsbrief? Der Leutnant hatte vielleicht ein anderes Mädchen, das er unglücklich machen wollte? Dann wäre es fatal, den Brief zu verbrennen. Dem Schuft wäre zuzutrauen, daß er diese Affäre ausgerechnet an Weihnachten beendete. Aber sie mußte in Gedanken zugeben, daß sich der Brief nicht wie ein Abschiedsbrief anfühlte. Marguerite würde sich sicher sehr freuen, Post von ihrem kleinen Leutnant zu bekommen. Sie wirkte so einsam in diesen Tagen. Noch einmal seufzte Damienne: Weitergeben oder verbrennen?
    Unter diesen Überlegungen erreichten sie das Haus.
    »Kommst du noch auf eine heiße Milch zu Marcel in die Küche?«, frage Damienne.
    »Ach, lass nur, mir ist nicht nach Unterhaltung. Ich werde ins Bett gehen.«
    »Nun, ich will dich nicht aufhalten, aber vielleicht möchtest du vor dem Schlafengehen noch etwas lesen?«
    »Mir ist auch nicht nach Lesen«, sagte Marguerite und stieg langsam die Treppe hinauf.
    »Auch nicht, wenn es ein Brief von jemand ganz Bestimmtem ist?«
    »Ein Brief?«
    Damienne lächelte. Marguerite war wie verwandelt. Aus dem müden, traurigen Mädchen war binnen Sekunden ein aufgeregtes Kind geworden, das freudestrahlend die Treppe herunterhüpfte.
    »Gib mir den Brief! Oh bitte, gib mir den Brief!«
    Damienne zog ihn umständlich aus ihrem Umhang. Bevor sie ihn der bettelnden Marguerite übergab, sah sie ihr streng in die Augen: »Du weißt, was ich von der ganzen Geschichte halte! Es ist unvernünftig und es wird kein gutes Ende nehmen. Ich sollte diesen Brief eigentlich verbrennen!«
    »Tust du aber nicht!«, lachte Marguerite, riß ihr den Umschlag aus der Hand und lief schon die Treppe hinauf.
    »Aber nur, weil Weihnachten ist«, rief Damienne ihr nach. Oben drehte sich Marguerite noch einmal kurz um. Sie strahlte. »Danke, Damienne«, rief sie, dann war sie verschwunden.
    Damienne lächelte versonnen und schüttelte den Kopf. Wie glücklich das Kind ausgesehen hatte! Trotzdem, ermahnte sie sich. Es ist falsch. Das war das erste und letzte Mal, daß ich den beiden geholfen habe. Der Herr ist mein Zeuge.
    Am nächsten Tag wurde der Herr - wenn er denn zusah - jedoch Zeuge ganz gegenteiliger Handlungen. Damienne besuchte nämlich das Hauptquartier der Arkebusiere, um dem Korporal Victor Hermès ganz unauffällig ein Antwortschreiben an Leutnant Fourraine zu übergeben. Sie hatte sich zwar lange gegen diesen Auftrag gewehrt, aber irgendwann doch nachgegeben. »Aber das ist das letzte Mal!«, hatte sie zu Marguerite gesagt . Und zum Korporal Hermès sagte sie das auch.
    Natürlich blieb es nicht dabei. In den folgenden drei Monaten mußte sie noch mehrfach als Postbotin herhalten. Sie war so oft »rein zufällig« im Hauptquartier der Arkebusiere, daß sich Hauptmann de Pousier schließlich einbildete, sie habe ein Auge auf ihn geworfen.
    Drei Monate - für Marguerite eine endlos lange Zeit. Nur noch alle vierzehn Tage kam ein Schreiben von Henri und nur alle vierzehn

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