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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Mit der anderen Hand nahm sie den Schlüssel und steckte ihn vorsichtig in Damiennes Ausschnitt hinein. Er lag jetzt auf der Haut. Millimeterweise schob Marguerite ihn tiefer, bis mehr als die Hälfte verschwunden war. Da erwachte Damienne.
    »Was ist denn?«, fragte sie schlaftrunken.
    »Du schnarchst«, behauptete Marguerite geistesgegenwärtig.
    »Das kann nicht sein«, murmelte Damienne. »Das ist sicher dieser fette Kaufmann von nebenan.«
    Sie drehte sich auf die Seite, atmete einmal tief ein und war schon wieder eingeschlafen. Marguerite bemerkte erst, als sie in ihrem Bett lag, daß sie am ganzen Leib zitterte.
    Als Damienne am nächsten Morgen aufstand, hörte sie ein metallisches Klingeln. Der Schlüssel war aus ihrem Nachthemd gerutscht.
    Sie tastete nach dem Band, an dem sie den Schlüssel befestigt hatte. Es war in ihre Haare geraten.
    Hab’s wohl nicht richtig gebunden, dachte sie. Da die Kabinentür fest verschlossen war, schöpfte sie keinen Verdacht.
    Nach dem Mittagessen fand Marguerite einen unbeobachteten
    Moment, in dem sie zur Treppe huschte. Der Schlüssel lag an der verabredeten Stelle. Sie nahm ihn an sich und versteckte ihn in ihrem Schuh - eine ziemlich ungeeignete Stelle, wie sie schnell feststellte.
    »Was ist denn los?«, fragte Damienne, »du gehst so komisch.«
    »Ich habe mir heute morgen den Zeh am Bett gestoßen«, log Marguerite.
    »Soll ich mal danach schauen?«
    »Nein, wenn es morgen nicht besser wird, gehe ich zu Doktor d’Athies.«
    Damienne warf ihr einen fragenden Blick zu. Wollte sie ernsthaft zu diesem Quacksalber gehen?
    »Das war ein Scherz, Damienne«, sagte Marguerite.
    Wie lange sie schon nicht mehr miteinander herumgealbert hatten! Vielleicht, so dachte Damienne, sieht das Kind langsam ein, daß ich im Recht bin. Vielleicht wird sie wieder vernünftig. Wenn sie wieder mit mir Scherze treibt, ist sie zumindest nicht mehr so böse auf mich.
    Es war eine schwache Hoffnung, nicht mehr; ein Strohhalm, an den man sich klammern konnte.
    Damienne konnte natürlich nicht ahnen, daß sie die Situation wieder einmal völlig falsch einschätzte.
    In der Nacht zeigte sich, wie wenig vernünftig Marguerite tatsächlich war. Als die Wache auf dem Oberdeck die zwölfte Stunde aussang, schlich sie zur Tür und probierte den neuen Schlüssel. Er war weicher als das Original und er paßte nicht ganz exakt, aber es genügte. Das Schloß öffnete sich und Marguerite schlüpfte durch die Tür, über den dunklen Gang zum Frachtraum. Erst eine Stunde später kam sie zurück.
    Von da an traf sie sich jede zweite Nacht mit Henri. Es war Sünde, das wußte sie. Es widersprach allem, was die Kirche lehrte. Mann und Frau durften nicht beieinanderliegen, wenn sie nicht von einem Priester getraut worden waren.
    Marguerite betete jeden Abend um die Vergebung dieser Sünde. Manchmal nahm sie sich auch vor, in der kommenden Nacht nur in den Frachtraum zu gehen, um mit Henri zu reden, ihn zu küssen, ihm nahe zu sein - nicht mehr. Aber das Verlangen war stärker als der Vorsatz. Es mochte Sünde sein - aber es war doch so schön, in seinen Armen zu liegen!
    Das Wetter wurde in den nächsten Tagen schlechter. Es regnete oft, der Wind kam in launischen Böen und die See zeigte sich von rauherer Seite. Es war unangenehm an Deck und die Passagiere blieben meist in ihren Kabinen.
    Manchmal saßen der Doktor und der Kaufmann in der Messe zum Kartenspiel. Man war inzwischen sieben Wochen auf See und bald sollte die Insel Baccalaos in Sicht kommen. Der Kapitän versicherte Marguerite, daß sie immer noch gut auf Kurs lagen. Da aber der Längengrad nicht berechnet und die Geschwindigkeit der Reise nur geschätzt werden konnte, sei nicht genau zu sagen, wie weit sie noch von der Insel entfernt seien.
    »Wenn Ihr allerdings die Schätzung eines alten Seebären hören wollt: Ich denke, wir werden die Bucht von Saint-Jean in etwa fünf Tagen, am siebenten oder achten Juni, erreichen.«
    »Was ist das für eine Bucht?«
    »Ich war selbst noch nicht dort, doch Monsieur Cartier hat die Bucht genau beschrieben. Es ist ein natürlicher Hafen, durch steile Hügel vom Meer getrennt und nur durch eine schmale Einfahrt erreichbar. Wir werden vermutlich einige Fischer dort antreffen.«
    »Ihr meint, von den Wilden?«
    »Nein: Franzosen, Basken, Spanier, Portugiesen, vielleicht sogar Engländer.«
    »Die alle in einer Bucht?«
    »Ja, Mademoiselle. Wie Ihr vielleicht noch wißt, sind gute Seeleute in der Lage, den genauen

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