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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Breitengrad ihrer Position auch auf offener See festzustellen. Die Bucht von Saint-Jean liegt auf der gleichen Breite wie Saint-Nazaire. Deshalb ist sie der bevorzugte
    Anlaufplatz der Franzosen. Die anderen haben sich wohl nur angeschlossen. Soweit ich gehört habe, gibt es dort inzwischen sogar ein kleines Dorf.«
    »Eine Ansiedlung? Ich dachte, wir sind die Ersten, die dort zu siedeln versuchen, Monsieur de Xaintonge.«
    »Es ist nur ein Fischerdorf, Mademoiselle, ein paar windschiefe Katen, um den Stockfisch zu räuchern, mehr wohl nicht. Man kann es wohl kaum als richtige Siedlung bezeichnen.«
    Marguerite verstand den Unterschied zwar nicht so recht, aber es würde sich sicher klären, wenn man erst einmal dort war.
    Wenn man erst einmal dort war ... Marguerite fragte sich, was werden würde. Auf dem Schiff war das Versteckspiel gefährlich genug - doch an Land konnte das auf Dauer nicht so weitergehen.
    In der nächsten Nacht redete sie - nicht zum ersten Mal - mit Henri darüber.
    »Ich weiß«, sagte er seufzend, »wir können uns nicht ewig verstecken.«
    »Aber was sollen wir tun?«
    »Und wenn ich bei deinem Onkel um deine Hand anhalte?«
    »Du bist nicht von Adel. Wenn er wüßte, was wir hier tun, würde er dich aufhängen lassen, das weißt du.«
    In der Tat hielt inzwischen jedermann an Bord de Roberval für grausam. Fast jeden dritten Tag wurde irgendein Sträfling wegen eines nichtigen Vergehens ausgepeitscht oder eingesperrt. Unter Deck herrschte ein Klima der Angst. Aber de Roberval vertrat weiterhin die Meinung, daß der Pöbel nur mit harter Hand geführt werden könne.
    »Und wenn wir ihn vor vollendete Tatsachen stellen? Der Abbe könnte uns heimlich trauen.«
    »Der Abbe hat viel zu große Angst vor meinem Onkel.«
    »Dann werden wir fliehen. Zu den Wilden, wenn es sein muß.«
    »Ja, vielleicht das. Vielleicht können wir fliehen. Es soll weiter im Süden Ansiedlungen anderer Länder geben. Ich hörte, die Spanier haben Siedlungen in Florida, aber ich weiß nicht, wie weit das entfernt ist.«
    »Wir haben Krieg mit Spanien. Wenn sie mich fangen, werden sie mich als Spion erschießen.«
    »Oh, Henri, was sollen wir nur tun?«
    Aber Henri wußte keine Antwort.
    Eine halbe Stunde später schlich Marguerite lautlos zurück in die Kajüte. Als sie die Tür leise schloß, sagte Damienne plötzlich: »Es ist nicht nötig, daß du abschließt. Es hat ja offensichtlich doch keinen Zweck.«
    Marguerite erstarrte.
    »Damienne?«, flüsterte sie.
    »Wer denn sonst? Vielleicht die Jungfrau Maria? Jetzt geh ins Bett, es ist spät.«
    Marguerite stand mitten im Zimmer. Sie schämte sich, und sie wußte nicht, was sie sagen sollte. Schließlich fragte sie: »Bist du böse auf mich?«
    Es war stockdunkel in der Kajüte und Marguerite konnte Damiennes Gesicht nicht sehen.
    Die Gouvernante seufzte: »Nein, mein Kind, denn offenbar kannst du nicht anders. Ich halte es für falsch, und ich fürchte, diese Geschichte wird ein böses Ende nehmen, aber ich bin müde. Und ich bin es leid, mich gegen dich und dein Schicksal zu stemmen. Mögen die Heiligen dich beschützen, ich kann es jedenfalls nicht mehr. Und jetzt schlaf, es ist spät.«
    Aber Marguerite konnte nicht schlafen. Damienne hatte so traurig geklungen und sie selbst fühlte sich auf einmal furchtbar verlassen. Es schien ihr, als triebe sie ganz allein auf dem großen, weiten Meer. Damienne war immer für sie dagewesen, solange sie denken konnte - und jetzt nicht mehr? Marguerite bekam Angst. Sie beschloß, sich nicht mehr mit Henri zu treffen.
    Am nächsten Morgen fühlte sich Marguerite sehr erleichtert.
    Die Zeit der Heimlichkeiten war vorüber - zumindest Damienne gegenüber. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie sehr ihr die Lüge auf der Seele gelastet hatte. Sie fühlte sich befreit und sie versuchte, mit Damienne darüber zu reden, doch die wollte nichts hören.
    »Das ist jetzt allein deine Sache, Marguerite, nicht meine. Der Herr ist mein Zeuge, daß ich alles versucht habe, um dich zur Vernunft zu bringen. Ich habe alles gesagt, was in diesem Fall gesagt werden konnte. Ab jetzt halte ich mich da heraus. Es geht mich nichts mehr an. Ich werde für dich und vielleicht sogar für deinen Henri beten. Mehr nicht.«
    Am Abend war Henri für den Wachdienst bei den Sträflingen eingeteilt, deshalb war das Treffen, zu dem Marguerite nicht gehen wollte, für die folgende Nacht angesetzt. So hatte sie einen weiteren Tag Zeit, über ihren Entschluß

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