Die Insel der Dämonen
gejagt hat!«
»Messieurs, ich bitte Euch, streitet nicht in Gegenwart der Damen«, mahnte de Xaintonge.
Die Ermahnung zeigte Wirkung; das Gespräch am Tisch verstummte nun allerdings vollends. Marguerite hatte ohnehin wenig Appetit und bat kurz darauf darum, sich zurückziehen zu dürfen. Damienne nickte nur kurz zum Einverständnis. Sie war die einzige am Tisch, die mit gutem Appetit aß.
Um halb elf war Marguerite in ihrer Kabine. Sie betete und hoffte, das würde die Unruhe, die sie befallen hatte, lindern. Aber es half nicht.
Damienne kam in die Kajüte, als der Rudergänger gerade die elfte Stunde ausrief. Ihr Schützling saß auf dem Bett und blickte aus dem kleinen Fenster. Es war Anfang Juni und bis zur späten Stunde hell, aber inzwischen lag doch Dunkelheit über der Bucht. Nur vom Ufer leuchteten noch vereinzelte Lagerfeuer der Fischer herüber. Die meisten waren bereits auf ihre Boote zurückgekehrt. Nur wenige schliefen an Land. Die meisten schienen sich an Bord ihrer Boote einfach sicherer zu fühlen.
»Du kannst nicht schlafen, wie?«, fragte Damienne sanft.
»Du weißt, warum.«
»Ich nehme an, daß ich es dir nicht ausreden kann, oder?«
Marguerite schüttelte den Kopf.
»Das dachte ich mir, aber ich hatte es eigentlich auch gar nicht vor. Du mußt wissen, was du tust.«
»Verstehst du mich denn nicht, Damienne? Henri ist mein Leben.«
»So wie ich das sehe, hast du ein eigenes Leben, und er hat das seine. Aber das wirst du wahrscheinlich erst später begreifen. Laß uns beten, daß diese Reise bald ein glückliches Ende nimmt.«
Die beiden Frauen beteten gemeinsam. Marguerite betrachtete dabei verstohlen das Gesicht der Freundin. Im Gebet schien sie wirklich Trost zu finden. Dennoch sah Damienne müde und angestrengt aus.
Sie macht sich große Sorgen um mich, dachte Marguerite und spürte einen dicken Kloß im Hals. Auf einmal war ihr gar nicht wohl bei dem Gedanken, sich mit Henri zu treffen. Eine dunkle Vorahnung befiel sie. Vielleicht wäre es besser, ihn diesen Abend nicht zu sehen? Ja, das war es sicher!
Sie beschloß, an diesem Abend nicht in den Laderaum zu gehen.
Jean-Frangois de La Roque Sieur de Roberval saß im Dunkel seiner Kajüte und wartete. Er lauschte dem Klang seines eigenen Atems. Vor ihm auf dem Fußboden lag das Stück Papier mit de Pousiers Anklagepunkten, jetzt nur ein schwacher heller Fleck in der Dunkelheit. De Roberval dachte nicht darüber nach, was er tun würde, wenn geschah, was er annahm. Er dachte auch nicht über die Ereignisse des Tages nach. Er dachte eigentlich gar nicht - er war ausgefüllt mit kaltem Zorn, einem so beherrschenden Gefühl, daß kein Platz mehr für Gedanken war.
Gegen halb zwölf stand er auf und ging zur Tür. Er öffnete sie einen Spalt weit und verkeilte sie mit einem Stück Holz. Dann stellte er sich hinter den schmalen Spalt und wartete wieder. Er konnte den Gang und die Tür zu Marguerites Kabine sehen.
Auf dem Schiff war Ruhe eingekehrt. Die Passagiere lagen in ihren Kabinen und schliefen und nur der Rudergänger war noch an Deck und rief die Stunden aus. Endlich verkündete er Mitternacht. Von nun an würde auch er schweigen und gegen seine Müdigkeit ankämpfen, bis morgen früh zur sechsten Stunde die Ablösung erscheinen würde.
De Roberval lauschte in die Dunkelheit. Er konnte seinen eigenen Herzschlag hören und all die anderen Geräusche der Nacht: knarrendes Holz, das Wasser, das leicht gegen den Rumpf schlug, den schlurfenden Schritt des müden Rudergängers, aber das alles schien sich seinem langsamen Herzschlag unterzuordnen.
Er wartete. Zeit spielte für ihn keine Rolle.
Er stand in der Dunkelheit seiner Kajüte, starrte durch den schmalen Türspalt und wartete ab, was geschehen mochte. Es geschah - nichts. Die Sekunden verrannen und dehnten sich zu Minuten.
Dann hörte er ein leises metallisches Schaben. Es war das Zurückgeleiten des Riegels aus dem Schloß einer Tür. Dann das leichte Knarren von Türangeln. Der Gang war unbeleuchtet und nur über den offenen Aufgang zum Deck drang das schwache Licht der Nacht ein.
De Robervals Augen hatten sich längst an die Dunkelheit gewöhnt. Er sah eine schlanke Gestalt, die aus einer Kabine trat, für einen Moment zögerte und dann lautlos durch den Gang huschte. Am Niedergang zum Frachtraum hielt die Gestalt kurz inne, dann verschwand sie.
De Robervals Herz schlug für zwei oder drei Schläge etwas schneller, dann fiel es in seinen langsamen, kalten Rhythmus
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